Wald von Arden

Der Wald von Arden ist einer der legendenumwobenste Orte in ganz Engonien. Bei meinen Reisen durch die Bibliotheken der großen Städte Engoniens stieß ich auf einen Bericht, der sehr treffend wiedergibt, was der Volksmund über den Wald von Arden zu erzählen weiß. Aus diesem Grunde möchte ich an erster Stelle diesen Text hier zitieren, bevor ich die wichtigsten und auch jüngsten Ereignisse rund um den Wald von Arden zusammenfasse, bevor ich dann auf den herrschenden Konsens unter den Gelehrten zu sprechen komme, wie wohl auch dieser nicht die Geheimnisse des Waldes von Arden ergründen mag.

„Reisender, so du betrittst den Wald von Arden, so sehe dich vor, denn gar abscheuliche Dinge gehen dort vor. Und es sind mitnichten die harmlosen, aber enervierende Streiche, die dir so manch ein Waldbewohner der anderen Wälder spielen mag, denn die Bewohner des Waldes von Arden sind derer vielgestalt, doch alles andere als frei von Gefahren für Leibe und Seele. Alle Bauern der Gegend wissen ob der Geheimnisse des Waldes und man trifft sie selten in dessen Nähe an. Hirten und Schäfer vermeiden peinlichst genau, daß sich eines ihrer Tiere in den Wald verirrt, denn diese gelten praktisch als verloren.
Tief im Inneren des Waldes soll es einen Ort geben, der nur von dem dunkelsten Gesindel bewohnt wird, welches das engonische Reich zu bieten hat. Gesetzlose, Diebe, gar Mörder und Dämonenpaktierer!
Keine Feenwesen, Kobolde oder sonstigen Geschöpfe des Schleiers sollen dort wohnen, auch keine Elben, denn dieser Wald ist abgrundtief böse.
Es führen keine Wege in oder durch den Wald, doch man erzählt sich, daß es einen Feldweg gebe, der zu diesem geheimnisvollen Ort inmitten des Waldes von Arden führt. Händler gibt es dort keine, wie sonst so viele im geschäftstüchtigen Tangara, denn wertvolle Rohstoffe findet man dort nicht, genauso wenig wie Handwerksgüter. Vielmehr leben dort all jene, die dort vor dem Arm des Gesetzes eine sichere Zufluchtsstätte gefunden haben und dort finstere Ränke schmieden.
Doch bestätigen mag dieses Gerücht niemand, und tiefer in den dunklen Forst eindringen vermögen nur solche Menschen und Andersartige, deren Herzen tiefschwarz sind oder ihre Seele an Szivar verkauft haben. Man munkelt gar, daß im tiefsten Herzen des Waldes der Haupttempel des finsteren Gottes Szivar liegen soll. Beten wir zu den Göttern des Lichts, daß dem nicht so sein mag, denn wie sollte es dann unseren tapferen Kriegern und ergebenen Klerikern gelingen, das böse an der Wurzel zu packen und vollends aus unserem friedlichen Reiche zu tilgen?“

Theodorus Falkenberg

Auch wenn sich diese Worte nach Ammenmärchen anhören mögen muss ich leider mit Bedauern feststellen, daß dem nicht so ist! Zwar mögen zahlreiche Abweichungen existent sein, was Details angeht, und zweifelsohne schmücken die Bauern und das einfache Volk die Erzählungen über den Wald von Arden nach Belieben aus, jedoch bleibt die Tatsache bestehen, daß der Wald von Arden in starker Verbindung zum finsteren Gott Szivar steht. „Der Wald von Arden, das dunkle Herz Szivar“, sagt man. Tatsächlich heißt es in der Schöpfungsgeschichte, daß sich die fünf anderen Götter zusammengetan hätten, um Szivar zu binden und ihn an einen irdischen Ort auf Erden gefesselt hätten: Den Wald von Arden.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, und das in gleich mehrfacher Hinsicht, sammelte Anfang des Jahres 252 n.J. der Oberkommandierende der tangarischen Reichsgarde, Richard von Hanekamp, etwa fünzig Recken um sich, um in den Wald vorzudringen. Der gesamte Expeditionstrupp wurde aufgerieben und die ach so mutigen Recken ließen Richard von Hanekamp und seine Soldaten alleine im verderbten Walde zurück. Was dort wirklich geschah ist nicht ganz bekannt, die Überlebenden erzählten nur wirre Geschichten von grausamen Angreifern und schwarzer Magie, die meisten waren gar dem Wahnsinn verfallen. Richard von Hanekamp ist bis heute verschollen und wurde für tot erklärt, seine Nachfolge trat der junge Richard Brin von Fingara an. Was auch immer dieser Expeditionstrupp dort aufgescheucht haben mag, seit dem mehren sich die Meldungen von verkrüppeltem Vieh, plötzlich verschwundenen Hirten und verwaisten Bauernhöfen von der Nähe der Waldgrenze. Es heißt sogar, der Wald breite sich aus… ein Gerücht, daß nicht bestätigt werden konnte. Allerdings wäre ein Dementi ebenso voreilig, denn es gibt keine gesicherten Angaben über die Ausmaße des Waldes.

Dennoch sollten die Gerüchte keineswegs leichtfertig als Ammenmärchen abgetan werden. Führende Koriphäen der Wissenschaften und Magie als auch intensive Nachforschungen des Klerus wiesen eindeutig die Einzigartigkeit des Waldes von Arden nach. Zahlreiche Kraftlinien durchströmen ihn und müssten sich zwangsläufig irgendwo in seinem Inneren bündeln. Es ist mehr als nur wahrscheinlich, daß diese Bündelung genau im sagenumwobenen Zentrum stattfindet. Ebenso existiert die beschriebene Barriere wirklich, die es scheinbar nur Menschen von übler Gesinnung gestattet, tiefer als einen Steinwurf in den Wald einzudringen. Diese Barriere ist zweifelsohne von dunkler Machart und lässt sich deutlichst auf das Wirken Szivars zurückführen, ganz so, als hätte Szivar beabsichtigt, mit dem Wald von Arden einen Rückzugsbereich für alle Diener des Bösen inmitten unseres Reiches zu erschaffen. Demnach hätte Szivar sehr viel Macht innerhalb und am Rande seines Kerkers, den der Wald von Arden für Szivar laut der vom Klerus vertretenen Schöpfungsgeschichte darstellt. Einige Theoretiker halten diese Vorstellung aber für viel zu banal und stellen die Behauptung auf, daß der Wald von Arden gar eine von zahlreichen irdischen Verkörperungen Szivars ist und daß sich jenseits dieser Schattenbarriere ein völlig anderer Ort befindet, eine Sphäre jenseits des Irdischen, in dem allein Szivars Geist herrscht, eine Welt des Bösen und der Albträume, ständig wandelhaft wie Szivars Erscheinungsbild und Wirken in unserer Welt. Wenn dem so wäre würde sich aber die Frage stellen, wie groß Szivars Macht wirklich ist, so einen Wirkungskreis zu erschaffen und, was noch bedeutungsschwangerer wäre, ob er in Lage wäre, noch mehr solcher Orte zu erschaffen.