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Autor Thema: Heimkehr  (Gelesen 2078 mal)

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Offline Vanion

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  • Vanonien, ich komme!
Heimkehr
« am: 19. Apr 14, 09:30 »
Müde und langsam führte Vanion sein Pferd auf den Hof seiner Eltern zu. Es war später Nachmittag, die Sonne schien warm auf Pferd und Reiter herab. Der Knappe schirmte die Hand gegen die Sonne ab, als er die ersten Felder seines Vaters betrat, und sah sich um. Er erwartete ein paar Tagelöhner auf den Feldern zu sehen, die frisches Saatgut mit schweren Ochsengespannen in die Felder pflügten, doch konnte er niemanden erblicken. Das meiste der Erde, die er sah, war bereits gepflügt, und doch lag Stille auf dem Land seiner Eltern.
Obwohl Vanion niemand sah, machte er sich keine Sorgen. Savaric mochte vor wenigen Tagen erst erfahren haben, dass Lorainne quicklebendig war, und so weit reichte sein Arm nicht. Nicht so schnell, nicht nach Tangara. Rasch zog Vanion den ledernen Trinkschlauch aus der Satteltasche und trank einen tiefen Schluck. Das Wasser war erfrischend kalt. In der Ferne tauchte das Gehöft seiner Kindheit auf, und der Knappe klopfte seinem Pferd auf die Kruppe und murmelte ein paar lobende Worte, während er das Tier etwas antrieb.

Immer größer wurde das gemütliche Bauernhaus, doch wunderte es Vanion, dass keinerlei Betriebsamkeit herrschte. Grade jetzt, um diese Zeit, sollte der Frühjahrsputz stattfinden - alter Pferdemist hinaus, beschädigte Möbel ausbessern, den Dachboden auskehren, all so etwas - seine Mutter würde mit einem Staubwedel und einem Teppichklopfer seiner Familie das Leben schwer machen. Doch abgesehen von einem einsamen Tagelöhner, der vor der dicken, hölzernen Eingangstür herumlungerte und auf einem Strohhalm herumkaute, war niemand zu sehen. Nun doch besorgt, trieb Vanion sein Pferd auf diesen zu.
"Heda, wer bist du denn? Was machst du hier?"
Als der Mann den Reiter auf ihn zukommen sah, stand er auf.
"Jeldrik Hammel mein Name, ich pass hier auf den Hof auf, solange alle bei der Beerdigung sind. Einer musses ja machen, nicht?"

Ungläubig und geschockt sprang Vanion von seinem Pferd. "Eine Beerdigung?!" Scharf sah er den Tagelöhner an.
"Ja - der alte Bachlauf, vor 'ner Woche. Einfach alt gewesen, ist nachmittags eingeschlafen und nich' mehr aufgewacht. 'ne Schande, wenn du mich fragst. Er war'n guter Mann, hat immer gut für die seinen jesorgt. Lavinia hab' ihn selig."
Jeldrik schien erst jetzt aufzufallen, dass er mit einem Fremden sprach - und dass dieser Fremde stocksteif da stand, als wäre er nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen.
"Aber nu sach mal, wer bist du überhaupt?"

Doch Vanion hörte ihn nicht einmal. Sein Vater - tot. Er konnte es nicht fassen, wollte es nicht fassen. Es fühlte sich ungerecht an! Barak Bachlauf - der starb nicht! Sein Vater war immer derbe gewesen, mit schwieligen, starken Händen. Fast 60 Jahre ..wer wird schon so alt? Der Knappe - nein, der Junge, denn so fühlte er sich nun wieder - hatte seinem Vater volller Stolz berichten wollen, was er getan hatte, endlich zeigen wollen, dass er ihn nicht enttäuscht hatte! Plötzlich war Vanion zornig auf seinen Vater. So viele Fragen würden ungeklärt bleiben, so Vieles würde ungesagt bleiben. Das war nicht gerecht! Das - Vanion spürte etwas Feuchtes an seiner Wange herabrinnen.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schwang er sich wieder auf sein Pferd. Wenn Barak heute beerdigt werden sollte.. Mutter würde ihn zu den Ihren legen. Nur zu genau wusste der Knappe, wo sein Großvater bestattet worden war. Dort war noch Platz, und sein Vater hatte immer gescherzt, dass er hoffentlich niemals dort liegen würde - er hatte Sonjas Vater im Leben geliebt, als wär's sein eigener Vater gewesen, doch hatten die beiden sich immer wieder scheinbare Streitereien getrieben, die Großmutter und auch Vanions Mutter in den Wahnsinn getrieben hatten. Während Vanion sein Pferd zum Galopp antrieb, erinnerte er sich. Wie sein Vater ihn angebrüllt hatte, weil er mit Stöcken auf Sträuchern herumgehackt hatte, anstatt den Pflug zu führen. Wie er ihm auf die Schulter geklopft hatte, an seinem zwölften Geburtstag, und wie er geflucht hatte, als er Vanion mit der Nachbarstochter auf dem Heuboden erwischt hatte. Und auch der Streit mit seinen Eltern, als Vanion mit Marius loszog, und, noch vor allem anderen, der wunderschöne Moment der Versöhnung. Schon damals hatte Barak schwächlich gewirkt, aber wer tat das nicht, wenn er krank war? Und doch.. wie konnte es sein? Mein Vater und sterben? Stets hatte Barak gescherzt, dass er ewig leben würde, weil kein Gott einen Mann wie ihn an der Seite haben wollle. Sonja hatte ihn dann immer getadelt - 'Sei endlich gottesfürchtig, du dicker Brummbär!', und doch dabei geschmunzelt.

Vanion verlor sich nach und nach in seinen Gedanken und Erinnerungen. Ein Loch schien sich in seiner Seele aufgetan haben, ein Abgrund aus Trauer, Schmerz und Enttäuschung. Mit der Erinnerung an seinen Vater kamen auch andere Erinnerungen hoch, die er noch vor kurzem erneut durchlebt hatte. Doch dieses Mal straffte Vanion die Schultern. Entschlossen, fast schon trotzig zog er die Nase hoch und spie einen dicken Klumpen Schleim aus. Mit der schmutzigen Hand fuhr er sich wütend durch's Gesicht, wütend auf sich selber, auf die Welt, dann ritt er langsamer weiter.
Nur widerstrebend näherte er sich dem Friedhof, der von einem lichten, hellen Wäldchen frisch grünender Bäume umgeben war. Das Sonnenlicht brach durch die Bäume, Alamar lächelt. Schon von Weitem konnte Vanion die Trauergesellschaft sehen. Ein Laienbruder Lavinias schien grade zu beten, aus dem Schatten des Waldes sah Vanion seine Schwestern und seine Mutter, ganz in traurige, dunkle Kleidung gehüllt. Wieder spürte Vanion eine Träne fließen. Mit dem Staub der Reise bedeckt, in schmutzigen, grün-braunen Kleidern kam es dem Knappen falsch vor, die Trauernden zu stören. Während er noch mit sich kämpfte, schien die Andacht beendet zu werden. Die Trauergesellschaft löste sich auf, man verabschiedete sich voneinander, tauschte herzliche, und doch traurig anzusehende Umarmungen aus. Von seinem Standpunkt aus konnte Vanion sehen, wie Isabelle und Sophie, seine beiden älteren Schwestern, die Hände ineinanderlegten und schweigend in Richtung eines Karrens gingen, vor welchen Pferde gespannt waren. Maren, jünger als Vanion, hatte seine jüngste Schwester auf dem Arm. Die Kleine krähte sich die Seele aus dem Leib, doch Jeanne, Vanions Tochter, schlief friedlich in den Armen ihrer Großmutter. 

Als sich der Karren in Bewegung setzte und das Grab seines Vaters vollständig mit Erde bedeckt war, band Vanion sein Pferd an einem nahen Baum an. Langsam schritt er auf den Friedhof, wo nun niemand mehr zu sehen war. Die Sonne warf ihre letzten warmen Strahlen auf die Baumkronen, soviel Zeit war bereits vergangen. Schweigend und weinend kniete sich der Sohn vor das Grab seines Vaters. Lange verharrte er dort, kniend, trauernd, betend, und verabschiedete sich. Erst, als die Sonne vollständig untergegangen war, stand der Knappe fröstelnd auf.
"LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon." RalfHüls, LarpWiki.de