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Autor Thema: Herbst 266 n.J., vor der Abreise nach Engonia  (Gelesen 4196 mal)

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Offline Sandra

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  • Stella Silberstern, Claire Delacroix
Herbst 266 n.J., vor der Abreise nach Engonia
« am: 27. Okt 16, 19:19 »
Ein kalter Wind wehte vor ihrem Fenster einige bunte Blätter vorbei während der Himmel ein tristes Grau in Grau angelegt hatte und die Wolken schienen beinahe aus den vielen Kaminen der Stadt gespeist zu werden.

In Fanada war der goldene Herbst einem sehr nassen und kalten Spätherbst gewichen was dafür sorgte, dass sowohl Stella als auch die übrigen Schüler wieder deutlich weniger Zeit außerhalb der Akademiemauern verbrachten.

Auch in Stellas kleinem Kamin brannte eine freudig vor sich hin tanzende Flamme von der aus sich eine angenehme Wärme in dem Zimmer ausbreitete.

In ihrem Zimmer in Gorix’ altem Turm war sie nun schon einige Tage nicht mehr gewesen und das Wetter lud auch nicht gerade dazu ein. Außerdem war der Turm ohne Balerian doch sehr ruhig geworden und auch die Bedrohung durch die Inquisition schwelte weiterhin. All das sorgte dafür, dass Stella sich eher nach Nähe als Abgeschiedenheit sehnte. Und auch für Ida und Sasha wollte sie gut erreichbar sein.

Auf dem Weg ihrer letzten Reise war sie in die junge Leibwache gelaufen, die ihr ein bisschen wie eine kleine Schwester war und mit der sie gemeinsam aufgewachsen war. Ida war die Tochter der Familie, die die Karawane von Stellas Familie beschützte und nun hatte sie Hilfe bei der blonden Magierin gesucht - und hoffentlich gefunden. Aber darum wollte sie sie nicht gleich alleine lassen.

In ihren Händen hielt sie eine dampfende Tasse mit Granatapfeltee während sie aus dem Fenster starrte.

Nachdem Leonie und Damian ihre Freunde um Hilfe gebeten hatten, hatte sich schnell eine gar nicht mehr so kleine Gruppe gebildet, die am vergangenen Abend in einer Taverne in Fanada beratschlagt hatte. Dass sie helfen würden stand für jeden von ihnen außer Frage und so hatte man sich vor allem darauf verständigt, wann und wo man sich zum Aufbruch nach Engonia treffen wollte.

Und seit Stella wusste, worum es bei der Bitte der zwei befreundeten Priester ging, schossen ihr tausend Dinge durch den Kopf.
Die Inquisition. Schon wieder.
Diese verblendeten Idioten!

In den meisten Fällen konnten sie nicht verhindern, was abseits in den Dörfern irgendwo in Engonien passierte, doch nun wussten die beiden vorzeitig, dass sich dort etwas anbahnte.

Auf der einen Seite machte sich in ihr eine Furcht breit, genährt aus den Ereignissen des letzten Aufeinandertreffens, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Bilder drängten vor ihrem inneren Auge zurück ans Licht.
Bilder von einem Schlachtfeld, ihr und ihren Freunden blutüberströmt auf der Wiese.
Bilder von Mitgliedern der Inquisition, wie sie Kydora bedrohen.
Von dem Inquisitor Kelos, wie er die Barbarin erwischt hat und seinen schweren Kriegshammer auf ihrem Rücken abstellt während sie selbst kaum noch von mehr als einem Funken Willenskraft auf den Beinen gehalten wird.
Die Schmerzen und ihre Angst, als sie spürt, wie sie Kydora die Magie mit diesem ekelhaften Streitkolben entrissen wird und dieses Gefühl sie taumeln lässt.

Sie hatten das letzte Aufeinandertreffen alle nur so knapp überlebt, und jetzt stand wohl das nächste bevor. Besonders für Balerian und Gorix war es eng gewesen und sie hatte Angst davor, wie es dieses Mal enden würde.

Auf der anderen Seite war da aber auch ihr Kampfwille, sich dieser Angst nicht zu ergeben und dass eine solche Kraft nicht weiter in Engonien erstarken durfte.
Nicht, solange sie nicht differenzierten.
Nicht solange sie nicht erkannten, dass sie im Kern doch einst das selbe Ziel verfolgten.
Dem Täuscher die Stirn bieten und sein Gezücht und seine Anhänger zu vernichten.
So etwas wie die Hexen, die Herzen herausschnitten und durch Steinherzen tauschten!
So etwas wie den Schalk!


Sowohl als Freundin als auch als Gläubige war es keine Option, dieser Bitte nach Hilfe nicht nachzukommen.

Gedankenverloren standt die junge Magierin auf, ging zu dem Regal das neben dem Schreibtisch an der Wand stand und zog eine kleine Holzkiste heraus. Vorsichtig holte sie die darin befindlichen, in einen Stoffbeutel eingewickelten Karten heraus, setzte sich auf die Felle vor dem Kamin und mischte die Karten zunächst in der Hand, bevor sie sie verdeckt vor sich ausbreitete und in Gedanken die Frage nach einer Einschätzung der Situation stellte. Währenddessen ließ sie ihre Hand knapp oberhalb der Karten wandern und zog schließlich eine heraus. Am Tee schlürfend betrachtete sie die Karte.

Die Fünf der Schwerter… Das ist… interessant. Der vergangene Kampf. Sieger und Besiegte.  Doch er wurde nicht zwangsweise durch das Schwert entschieden. Man verbindet sie auch mit dem Sieg durch geistige Überlegenheit. Vielleicht auch der Sieg gegen eine Übermacht.
Es kann aber auch ein Kampf sein, der keine Sieger kennt. Glücklich sieht keiner aus. Wolken, die sich nach dem Kampf verziehen - vielleicht auch Möglichkeiten zu Verhandlungen?
Was sie zu bedeuten hat, wird sich wohl noch zeigen. Aber ich werde dich im Hinterkopf behalten. Vielleicht sollten wir einfach nicht unsere Stärken vergessen.


Schließlich schob sie die Karte wieder zwischen die anderen und räumte sie wieder zusammen in die kleine Holzkiste.

Im einen Moment saß sie noch ruhig auf den Fellen, im nächsten lief die Magierin unruhig in ihrem Zimmer auf und ab wie ein eingesperrtes wildes Tier und im gleichen Maß wandelte sich ihre Stimmung.
Im einen Moment durchkramte sie nervös ihre Kisten und Taschen und ging die Bestandsaufnahme wieder und wieder durch. Einige der Komponenten, die sie für ihre Zauber verwendete, hatten auf den letzten Reisen an Bestand deutlich eingebüßt und mussten aufgefüllt werden.
Im nächsten Moment ließ sie sich rücklings aufs Bett fallen und starrte die tanzenden Schatten an der Decke an, die das Kaminfeuer dort hin warf.
~Every moment has a lesson for you to learn. Learn to listen.~

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