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Autor Thema: In Voranenburg, 268 n.J.  (Gelesen 2103 mal)

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Offline Vanion

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  • Vanonien, ich komme!
In Voranenburg, 268 n.J.
« am: 06. Mär 18, 19:16 »
Die Mauern Voranenburgs waren nicht mehr mit den bunten Fahnen geschmückt, die die Hochzeit der Amabilis und des Flamens angekündigt hatten. Stattdessen wehte das grün-goldene Banner der Grafenfamilie weithin sichtbar und stolz von den trutzigen Mauern herab. Vanion war noch keinen Tag in der Stadt, aber das geschäftige Treiben war ihm nicht verborgen geblieben. Die Stadt aufgescheucht, die Menschen gingen zwar ihrem Tagewerk nach, aber eine gewisse Unruhe hatte sich im Volk breitgemacht. Gerüchte gingen umher, Hanekamp sei im Süden eingefallen. Als Vanion ein entsprechendes Gespräch aufschnappte, hatte er grinsen müssen. Die Treibjagd, mit der sie die Hanekamper vertrieben hatten, hatte ihn mit Stolz und wilder Freude erfüllt.
Endlich ein Feind, den er mit Fug und Recht bekämpfen hatte können, und der sich nicht dämonischer Mächte bediente oder von den Ranken des Täuschers umgeben war. Danach hatte er betreten einen Geweihten Lavinias aufgesucht, hatte aufgrund seiner nicht gerade der Göttin gefälligen Gefühle die Beichte abgelegt. Und nun waren sie hier, in Voranenburg. Der Phönix und die Waage würden sich beraten, und auch andere Banner der Getreuen Voranenburgs konnte Vanion erkennen.

Aber zunächst galt es, sich frisch zu machen, sich herzurichten, denn die Besprechungen würden erst morgen beginnen. So kam es, dass der livrierte Diener Vanion in seiner Kammer vorfand. Der Ritter saß an einem Sekretär und ließ die Feder kratzig über das Papier wandern. Der Diener grüßte und reichte einen versiegelten Brief. Ein einzelner Buchstabe prangte auf dem Siegel, kunstvoll umschlungen von Efeuranken.

"Eine Antwort, und das so rasch!", sagte Vanion zu niemandem im Speziellen. Der Diener, der soeben den Raum verlassen wollte, hielt inne, aber Vanion winkte ihn fort. Beherzt brach er das Siegel.

Guter Vanion, mein Freund,

deine zornigen Zeilen erreichten mich unlängst, und um dein Gemüt zu beruhigen, ich werde dein Zeuge sein, wenn du ...
Dein Anliegen hast du durch deine Zeilen mehr als bekräftigt, und somit ist dir mein Beistand gewiss.
Meine Zeilen schrieb ich dir schweren Herzens, doch war es von Nöten, um deine wohl gesetzten Worte durch Worte deines Herzens zu vertauschen und zu sehen, was es dir wirklich bedeutet. Sieh es mir nach, ich bitte dich herzlich.

Vanions Augenbrauen wanderten höher und höher, während er den Brief las.
Und nun vergib mir die Kürze dieser Zeilen, doch halten wir dieser Tage Gericht, und meine Zeit reicht so eben, dir dieses kurze Schreiben zu widmen.

Vanion nahm den Brief in beide Hände und drehte ihn um - aber auf der Rückseite stand nichts geschrieben. Er rieb mit den Fingern am Papier, als vermutete er eine zweite Seite, aber - nichts. Der Herr Ritter ist vieles, aber gewiss kein wortkarger Schreiberling. Er ging ein paar Schritte im Raum auf und ab. Ob mein letzter Brief ihn verärgert hat? Oder seine Herrin? Er hoffte, dass dem nicht so war. Diese Angelegenheit war frei von jedem Staatsgeschäft, und Vanion vertraute auf die Ehre des Briefeschreibers. Allerdings war der Herr Berengar, denn um niemand anderen handelte es sich, genauso steif wie ehrenvoll. Erneut nahm er den Brief in die Hand und las die Passage noch einmal, dieses Mal mit mehr Ruhe:

Dennoch wünscht Klara von Quellengrund zuvor deine Gesellschaft, nicht zur Unterhandlung, doch um dich frei von der Bürde deiner Queste zu sehen und mit dir zu sprechen.


Irgendetwas war nicht in Ordnung mit Berengar, das spürte Vanion. Hatten die Worte des Schwanenritters etwa Wunden geschlagen? Mein Zorn war kaum verhohlen,
 und meine Worte waren ein Tadel. Dabei war des Herrn Berengars Verhalten gewiss nur seiner Loyalität der Dame Klara gegenüber geschuldet.
Unwillkürlich entsann Vanion sich eines Gespräches, dass er vor einigen Monaten mit der Gräfin geführt hatte. Sie hatte ihm berichtet, wie enttäuscht sie von Berengar war, und wie unerbittlich der erste Ritter Quellengrunds mit sich selbst ins Gericht gegangen war.

Vanion grübelte noch lange an diesem Abend über den Brief nach.






"LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon." RalfHüls, LarpWiki.de