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Autor Thema: In der "Nordwacht", nach Jakopps Tod  (Gelesen 5544 mal)

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Offline Akela

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In der "Nordwacht", nach Jakopps Tod
« am: 07. Sep 18, 10:40 »
Auf der ganzen Rückreise zum Tempel im Totenpfad hatte Sasha kaum ein Wort geredet.
Die Wolfselfe war meistens am hinteren Ende des kleinen Zuges geritten und hatte einen in sich gekehrten Eindruck gemacht.
Im Tempel angekommen änderte sich dieser Umstand nicht wesentlich.

Der lautstarke Begrüßungsmob wandelte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in eine betroffene Gesellschaft, als man den Karren, der Jakopps Überreste transportierte, durch das Tempeltor in den Hof schob.

Sasha veranlasste nur das Nötigste...der Körper des Nordhundes wurde in der großen Versammlungshalle aufgebahrt, wo er erstmal liegen blieb. Der askarische Segen, den Sasha auf den Leichnam gelegt hatte, um dessen Verfall zu stoppen, würde lange genug halten damit sich alle gebührend von ihm verabschieden konnten.

...und damit seine Seele ihrerseits Zeit genug hatte sich von dem Körper zu verabschieden.

Dieser Ritus konnte mehrere Wochen in Anspruch nehmen, in denen der Körper ganz normal in das alltägliche Miteinander im Tempel mit einbezogen wurde, um der beim Rudel bleibenden Seele zu zeigen, dass sie immer noch mehr als willkommen war.

Die nächsten Tage schlich Sasha wie ein Schatten ihrer selbst durch den Tempel, redete nur das nötigste und ging den meisten Leuten aus dem Weg. Immer wieder sah man sie auch bei Jakopps Leichnahm, doch sie schien nur durch ihn hindurch zu blicken.

Die meisten ließen sie in Ruhe. Oder vielleicht vermieden sie es auch, auf sie zu treffen. Nicht verwunderlich, so unberechenbar und unausgeglichen der Paladin sich in den letzten Wochen gezeigt hatte.

Besonders vor Mina, die den Trupp begleitet hatte, schien Sasha sich geradezu zu verstecken...

Auch jetzt trat die Wolfselfe gerade in die Versammlungshalle, als sie die Hexe erblickte, die an Jakopps Seite saß und die Augen geschlossen hatte. Ein leises trauriges Lied wehte an die empfindlichen Ohren der Wolfselfe, doch Mina hatte sie noch nicht bemerkt.
Sasha blieb stehen, beobachtete sie einen Augenblick lang und machte dann auf dem Absatz kehrt.

Sie hatte Angst davor, was passieren würde, wenn sie der Frau zu nahe kam. Minas Trauer war für sie körperlich spürbar. Trotz des immer noch aktiven Schutzes, den Maugrim auf die gelegt hatte, als er gestorben war, hatte sie das Leid der Heilerin fast hinweg gefegt.
...im Lager in Harnac...als Mina von Jakopps Tod erfahren hatte…

Sasha war sich sicher, dass sie sich nicht gegen die Gefühle von Mina würde wehren können, und es war nicht das erste Mal, dass die Hexe, die immer noch nicht so genau wusste, was sie eigentlich konnte, sie mental aus den Latschen gehauen hatte.

Sie beschloss stattdessen dem Tempelraum einen Besuch abzustatten. Das diffuse Licht und die kühle Luft, die im Inneren der natürlichen Höhle herrschte, hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt und sie hielt sich gerne hier auf.
...nur nicht heute…
Wie so oft in den letzten Tagen kreisten ihre Gedanken um die Geschehnisse in Harnac. Und immer mehr verdichtete sie ein einzelner dieser Gedanke in ihrem Kopf, der immer wieder zurückgekehrt war. Und sie konnte ihn nicht länger zurückdrängen.

Du hättest ihn retten können.
Du hättest dich nur etwas mehr anstrengen müssen.
Du hast ihn im Stich gelassen…!


Die ganze aufgestaute Wut auf sich selbst und auf Jakopps so sinnlosen Tod brach aus der Wolfselfe hervor, mit einem lauten Knurren fegte sie einige Kerzen von einem der im Tempelraum aufgestellten Tische. Mitsamt ihrer Kerzenständer polterten diese laut zu Boden. Einige Schalen folgten und zersprangen mit einem Klirren in unzählige Scherben.
Fast war sie so weit aus dem Tempelraum zu stürmen, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
Irgendein kleiner rationaler Teil in ihrem Inneren hielt sie zurück und so suchte sie sich einfach das nächstbeste Ziel für ihre Aggressionen.
Die steinerne Wand des Raumes.
Immer und immer wieder schlug sie mit den Fäusten oder Klauen zu, mit all der Kraft die ihr geschundener Körper noch aufbringen konnte.

Sie merkte weder wie ihr eigenes Blut langsam das weiße Fell auf ihren Händen rot färbte, noch dass jemand den Raum betreten hatte.
Erst als der direkt hinter ihr stand und sie packte, realisierte sie seine Anwesenheit.
Havald.
Der Bronnaq-Priester schnappte sich die tobende Wolfselfe und hielt sie fest, während die rasend vor Wut das Ziel wechselte und nun versuchte ihn zu attackieren.

“Sasha! Verdammt, es reicht!” für einen Augenblick holte sie seine Stimme aus ihrem Rausch heraus, dieser kurze Moment reichte ihm, um ihre Handgelenke zu packen und sie zu sich umzudrehen.

Er schaute ihr eindringlich in die Augen.

“Es reicht.” wiederholte er fest, und in diesem Moment machte es irgendwo im Kopf der Wolfselfe klick.
Sie hörte auf sich zu wehren und starrte ihn nur schwer atmend ihrerseits an, langsam ließ er ihre Handgelenke los, hielt den Blickkontakt aber aufrecht.

Und wie durch einen dicken fast undurchdringlichen Nebel sickerte eine Erkenntnis bei ihr durch.
Sie hatte sich nicht nur vor Minas Gefühlen abgeschirmt…sondern vor allem vor ihren eigenen.

Die Mauer aus Eis, die sie in den letzten Tagen errichtet hatte, stürzte ein.
Ihre Wut verflog und machte der Trauer Platz.
Endlich.

Sie ließ es zu und brach schluchzend in den Armen des Priesters zusammen.
Sasha Timberlore Schattenwolf
1. Paladin Askars