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Autor Thema: Kontor im Herbst 269 n.J.  (Gelesen 15981 mal)

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Offline Anders

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Antw:Kontor im Herbst 269 n.J.
« Antwort #30 am: 04. Nov 19, 13:18 »
Tatsächlich traten nun Tränen in die Augen der Kenderin.
"Ich weiß es nicht Jelena. Wenn sie dann immer noch so ist wie jetzt... nein, dass glaube ich nicht. Und ich bin mir nicht sicher ob das das bessere Ergebnis wäre. Ich will überhaupt nicht das sie kämpfen. Aber beide sind so verbissen und sturr. Und Sasha sagt, dass sie mit Vanion Dinge nur noch so regeln kann."
Wieder spürte sie wie unglaublicher Frust sich in ihr aufbaute. Sie ballte die zitternden Finger zu Fäusten und starrte auf den Küchenboden.
Nein... sie musste das endlich los lassen. Sie durfte sich nicht mehr einmischen. Vanion gehörte nicht mehr zu ihrem Verantwortungsbereich. Aber diese Medizin war furchtbar bitter und tat immer noch weh.
"So oder so lassen sie sich nicht davon abbringen. Und sie wollen das ich es mir auch noch ansehe.", die letzten Worte spuckte sie fast aus so sehr widerte sie der Gedanke an das Bevorstehende an.
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Offline Jelena

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Antw:Kontor im Herbst 269 n.J.
« Antwort #31 am: 05. Nov 19, 11:16 »
Jelena gab ein unfeines Geräusch von sich.
Sie nahm Anders sanft am Ellenbogen, setzte sie an den Tisch und gab ihr was zu trinken. Sie goß sich selber einen Becher ein und setzte sich ihr gegenüber.
"Ich war mal da wo du jetzt bist, damals, als der Krieg uns alle veränderte. Irgendwie war in meinem Kopf die Vorstellung, dass ich dafür verantwortlich war, dass sie alle heil blieben. Nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch generell..."
Sie lächelte Anders schief an und schüttelte ein wenig belustigt den Kopf über sich selbst.
"Du hast meinen Sohn niemals kennen gelernt. Luthor war ein sehr begabter Heiler, einer meiner Lehrlinge, meiner Welpen. Im Laufe des Krieges wurden sie erwachsen. Luthor, Temris, Alvias, Wydh..."
Ihre Stimme verlor sich ein wenig und sie strich wieder unbewusst über die Narben an ihrem Handgelenk, bevor sie weiter sprach.
"Ich liebte sie alle wie meine eigenen Kinder, aber Luthor... Luthor wurde ein so großer Teil meines Herzens, dass ich ihn als Sohn annahm, ihm meinen Namen gab, ihn zum Erben von all dem hier machte. Der Krieg zog vorüber, er beendete seine Lehren, legte seine Gesellenprüfung ab und entschloss sich auf Wanderschaft zu gehen."
Sie sah Anders mit schmerzerfüllten Augen an:
"Es ist über 5 Jahre her, dass ich ein Lebenszeichen von ihm bekommen habe. Er ist fort, Alvias ist in seine Heimat zurückgekehrt, Temris ist tot und Wydh in der Wildnis verschollen... und in der ersten Zeit habe ich mir das Hirn zermartert, was ich denn falsch gemacht habe, dass sie alle es so leicht fanden mich zurück zu lassen? War die Liebe und Freundschaft zwischen uns denn nur eine Einbildung meinerseits gewesen? Hatten sie mich vielleicht nur als Mittel zum Zweck gesehen, um Hilfe zu erhalten, Wissen zu bekommen, den Krieg bestmöglich zu überleben? Ich habe viele Nächte wach gelegen und mir viele solcher Fragen gestellt, die Schuld und die Gründe für das alles bei mir gesucht."
Sie nahm einen Schluck aus dem Becher und sprach dann leise weiter:
"Ich habe lange gebraucht, bis ich begriffen habe, und zwar nicht nur hier" sie zeigte auf ihre Schläfe, "sondern auch hier," sie zeigte auf ihr Herz, "dass ich an Nichts davon die Verantwortung trug. Luthor ist erwachsen geworden und fortgegangen. Er entscheidet sich jeden Tag aufs Neue dafür mir nicht zu schreiben. Ich habe ihn nicht fortgetrieben und nichts was ich getan habe, oder tun werde, hat einen Einfluß auf diese Entscheidung. Atos hat Temris getötet. Er hat mich nicht freiwillig verlassen und auch hier ist es nichts was ich getan oder nicht getan habe, was dies hätte verhindern können."
Sie seufzte.
"Ich kenne Vanion jetzt schon sehr lange. Länger als du ihn kennst, und auch anders als du ihn kennst. Du hast ihn kennen gelernt, als er das erste Mal in seinem Leben einen Sinn und eine Zusammengehörigkeit entdeckte und glaubte, dass dies an eine bestimmte Person gebunden war. Aber das war es nicht. Er ist nicht aus Zufall Ritter geworden, sondern weil etwas in ihm sich nach den rigiden Idealen gesehnt hat und weil er die Welt in schwarz und weiß unterteilen möchte. Du und ich, wir wissen sehr gut, dass sie viele Schattierungen von Grau hat. Sashas Welt ist auch schwarz und weiß. Aber sie ist kein Ritter, sie ist ein Paladin des Askar und diese Dinge sind nicht deckungsgleich. Was ich sagen möchte: es war unvermeidlich, dass die beiden irgendwann aufeinander prallen, denn Sasha war die Treue zu ihrem Rudel und ihrem Gott immer über die Treue zur Sache und dem Ideal stellen. Und Vanion wird das nicht tun."
Sie nippte wieder an ihrem Becher und gab Anders Zeit alles das zu verarbeiten, bevor sie fortfuhr:
"Keine Ahnung wer von den beiden Recht hat. Aber das ist für mich auch nicht wichtig. Du musst verstehen, dass die Entscheidungen von beiden nicht deine Verantwortung sind. Du musst für dich selbst entscheiden ob du einen von beiden unterstützen möchtest. Und falls ja, weshalb. Wenn du das für dich geklärt hast, dann solltest du bei dem Kampf anwesend sein. Sonst nicht."
"Schmuggeln? Ich bin reich genug um zu bestechen, ich muss nicht Schmuggeln!"

Offline Anders

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Antw:Kontor im Herbst 269 n.J.
« Antwort #32 am: 05. Nov 19, 13:57 »
Allein die Vorstellung, dass ihre Freunde irgendwann einfach ohne ein Wort verschwinden könnten... Ihre Familie... Aus Anders Augen sprach großes Mitgefühl für Jelena, während sie bestürzt ihrer Geschichte lauschte.
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher und malte dann still die Holzmaserung mit einem Finger nach.
"Ich... ich weiß das... hier.", sie tippte sich leicht gegen die Stirn. "Aber hier nicht... und ich weiß nicht ob ich das jemals lernen werde." Sie tippte auf ihre Brust.
"Obwohl... vielleicht. Bei Lorainne musste ich es lernen, als sie in den Orden ging... und trotzdem habe ich nie aufgehört mich zu sorgen und nach ihr zu suchen bis ich sie schließlich in diesem dunklen Kellerloch gefunden habe. Ich... ich wusste einfach das sie dort war und deshalb musste ich auch hin." Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatte so oft versucht es zu zu erklären und manche verstanden sie, andere wiederum nicht.
Sie schluckte leicht und sah zu Jelena hoch. "Und ich schätze bei Vanion muss ich es jetzt lernen. Weißt du... wir haben so viel zusammen erlebt. Und so viel durchgemacht, ich dachte wir würden immer irgendwie zusammen bleiben. Aber das geht nicht mehr. Ich kann nicht für ihn sein, was ich für Lorainne war. Kann ihn nicht unterstützen wie ich es bei ihr gemacht habe. Ich weiß nicht wirklich warum, oder was sich geändert hat. Ich weiß nur, dass wir uns seit einiger Zeit nicht mehr verstehen. Ich wollte nicht mehr streiten und er auch nicht. Sasha sagt, dass wir uns langsamer verändern als Menschen und das ich es deshalb nicht begreifen kann. Das klingt... verständlich für mich. Aber es ändert nichts an diesem furchtbaren Gefühl, dass ich ihn gehen lassen muss."
Sie schwieg wieder für eine ganze Weile.
"Und ich will mich nicht für einen von beiden entscheiden! Nein... ich habe sie beide lieb. Und es tut mir immer weh, wenn sich Leute die ich liebe gegenseitig verletzen...", frustriert schnaubte die Kenderin. "Weißt du... wenn sie streiten, oder sich prügeln würden wäre das nicht so schlimm. Aber es müssen ja Waffen sein..."
War es wirklich zu viel verlangt sich ein bisschen Frieden zu wünschen? Vor allem unter ihren Freunden?
Anders seufzte.
"Aber es hilft nichts. Sie müssen es tun, zumindest glauben sie das. Und das was du sagst klingt auch richtig... also werden sie es tun. Und mir und dir und allen anderen bleibt nur übrig am Ende die Wunden zu heilen. Und damit muss ich mich irgendwie abfinden, auch wenn ich es nicht mag oder mich nicht dran gewöhne."
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Offline Jelena

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Antw:Kontor im Herbst 269 n.J.
« Antwort #33 am: 05. Nov 19, 20:15 »
"Wenn du dich daran gewöhnst, dann ist es dir gleichgültig. Ich glaube nicht, dass du so werden möchtest."
Jelena trank aus und machte eine fragende Handbewegung, ob Anders ihren Becher nachgefüllt haben wollte.
"Ich persönlich habe meine Entscheidungen bereits vor langer Zeit getroffen und ich werde immer auf Sashas Seite stehen. Egal ob ich mich anders entschieden hätte oder ob ich verstehe warum sie tut was sie tut. Das liegt aber auch daran, dass wir zwei mehr miteinander durchgemacht haben als andere in mehreren Leben. Und daran, dass ich unerschütterlich weiß, dass sie für mich das gleiche tun würde."
Unausgesprochen schwang Jelenas Frage über die Beziehung zwischen Vanion und Anders mit: würde er das auch für dich tun?
"Außerdem solltest du sie niemals unterschätzen, Anders. Selbst halbtod, dreiviertel irre vor Schmerzen und völlig ihrer wölfischen Seite ausgeliefert, habe ich sie besser kämpfen sehen als manch anderen, der stolz Farben und Schwert trägt. Wenn Vanion sich also eine Tracht Prügel von ihr abholen möchte..."
Jelena zuckte die Schultern, offenbar war die Sache damit für sie abgehakt.
"Bist du sicher, dass du nicht hier bleiben möchtest? Der Kontor kann für diese Zeit auch dein Zuhause sein."
« Letzte Änderung: 06. Nov 19, 09:40 von Jelena »
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Offline Anders

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« Antwort #34 am: 06. Nov 19, 12:18 »
Anders schwieg. Sowohl zur unausgesprochenen Frage, als auch dazu das man Sasha nicht unterschätzen sollte.
Was sollte sie auch sagen. Sie hoffte das irgendwas von ihrer Freundschaft zu Vanion die nächsten Jahre überstehen würde. Irgendetwas.
Und sie wusste wie gut Sasha kämpfen konnte. Aber das was nicht der Punkt. Nicht für sie jedenfalls. Aber wie sollte sie da erklären. Erklären konnte sie nicht wirklich gut. Vor allem nicht sich selbst.
// Ob Emma mich verstehen würde... vielleicht...//

Sie griff nach dem Fläschchen welches um ihren Hals hing und seufzte leise. //Ach Askar... mach bitte einfach, dass sie sich bald wieder verstehen und durch diesen blöden Kampf keine neuen Wunden geschlagen werden die nicht mehr heilen. //
Als Jelena ihr anbot im Kontor zu bleiben hob sie den Kopf und lächelte sie warm an.
"Mein Gefährte ist im Moment in Fanada. Solange er noch hier ist, will ich bei ihm sein. Wenn er wieder fort ist, komme ich aber gerne hier hin um die restliche Zeit bis zum Treffen hier zu verbringen. Tagsüber komme ich auch so gerne vorbei. Ich würde gerne lernen, was es heißt ein Medicus zu sein. Damit ich auch weiterhin nützlich sein kann."
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Offline Jelena

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« Antwort #35 am: 06. Nov 19, 17:31 »
"Oh! Du hast einen Liebsten? Wie wunderbar!"
Jelena war ganz entzückt von der Neuigkeit, sie mochte es, wenn die Menschen um sie herum Liebe fanden.
"Du bist mir immer willkommen. Ich werde meine Unterlagen zu Sashas bisherigen Verwundungen zusammen suchen und ein paar alchemistische Dinge vorbereiten, es richtig untersuchen können wir eh erst wenn sie da ist. Und was Lyra betrifft... ich hoffe, dass sie sich bald von ihrem neuen Gut trennen und die Reise nach Fanada antreten kann, damit wir uns das genau angucken können. Falls nicht, dann werden wir zu ihr reisen müssen."
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Offline Anders

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« Antwort #36 am: 06. Nov 19, 18:17 »
Die Kenderin errötet leicht, lächelte aber breit.
Zu Jelenas Ausführungen nickte sie. "Wenn du mich lässt helfe ich gerne wo ich kann. Und was Lyra betrifft... Ja lass es uns so machen. Wenn sie nicht kann, besuchen wir sie. Ich kenne ihr Lehen noch gar nicht. Dann sehe ich es mal."
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Offline Jelena

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« Antwort #37 am: 07. Nov 19, 09:47 »
Die beiden besprachen wie sie weiter vorgehen wollten und halfen Anica die restlichen Kartoffeln zu schälen und zu raspeln. Als nächstes kam eine riesige Pfanne mit Fett auf die Feuerstelle und dann wurden die Reibekuchen tiefgolden ausgebacken, während nebenan ein Topf mit Apfelmuss blubberte.
Das ganze Anwesen roch nach dem Essen und es dauerte nicht lange bis jeder seine Nase in die Küche steckte, in der Hoffnung einen stibitzen zu können. Es war wie mit Plätzchen: diejenigen, die man dem Koch klaute, schmeckten doch am besten!
Als alle satt waren und die Stunde vor dem zu Bett gehen für ihre privaten Dinge nutzten, nahm Jelena Briefpapier und setzte sich hin um zu schreiben:

Lieber Havald!
Ich hoffe dieser Brief findet dich bei guter Gesundheit. Wie geht es Zeljezo? Ist die Wunde am Hinterbein gut verheilt? Du solltest ihn bei nächster Gelegenheit mal wieder vorbei bringen, damit ich ihn sehen kann. Und wenn du schon dabei bist, dann pack meine Schwester am Schlaffitchen und zerr sie auch her! Ich habe von dem Kender erfahren müssen, wie es um sie steht. Sei so gut und sag ihr, dass ihr sehr enttäuscht und traurig bin, dass ich so etwas von jemand anderem erfahren muss!
Bin ich natürlich nicht, ich bin angepisst, aber zumindest einer von uns beiden sollte Spaß haben mit der Situation.
Wenn du mir Nachricht schickst wann ich euch erwarten kann, dann lege ich Fleisch zur Seite um dein Lieblingsessen zu machen.

Mögest du immer den rechten Weg wählen


Jelena
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