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Autor Thema: 269 n.J., in Hanekamp - Ein Stern erlischt  (Gelesen 4247 mal)

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269 n.J., in Hanekamp - Ein Stern erlischt
« am: 15. Apr 19, 21:21 »
"Wir sind viel zu nah am Wald", brummte Gérard. Gérard war ein alter Haudegen, hatte im Krieg für den Hanekamper gefochten, und wie so viele hatte er nach dem Ende der Kämpfe das Beil nicht am Gürtel hängen lassen können. Er stand in gutem Lohn und Brot, und bis vor einem Jahr hatte er sich nie über seine Arbeit beschwert. Die Abgaben einzutreiben, das machten andere, er musste nur grimmig dreinschauen, wenn jemand nicht zahlen wollte, und schon hatte das Säckel sich geöffnet und gute Münze den Besitzer gewechselt. Doch seit diese Fehde ausgebrochen war, war alles anders geworden. Er hatte Geschichten von seinen Freunden gehört, abends, im Wirtshaus. Von den Überfällen auf seinesgleichen, die selten tödlich, aber immer blutig geendet waren. Pah!, dachte er, und spuckte aus. Sollten sie kommen, die Voranenburger Banditen. Er war bereit.

Von dem anderen Kerl, der mit ihm die Wache hatte, konnte man das nicht gerade behaupten. Der Bursche war neu, kam wohl aus Pfauengrund, und ging seiner Arbeit mit nichts als mürrischem Nörgeln nach. Auch jetzt hob er wieder an, zu sprechen, aber Gérard stoppte ihn sogleich.
"Sieh mal, dort!"
Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Waldes, und Holbert zuckte ruckartig herum und rückte den Schild zurecht. Dann ging ihm auf, dass der alte Gérard ihn verarscht hatte, und er fuhr ihn an: "Alter Narr! Irgendwann geschieht's mal wirklich!"

Und er sollte Recht behalten. Gleich hinter der Baumgrenze kassierte ein ungeschickter Gardist, der mit blanker Klinge herumgelaufen war, einen geflüsterten Anschiss, und ein sorgenvolles "Haben sie uns bemerkt?!" machte die Runde. Die Männer und Frauen, die sich im Wald verbargen, regten sich unruhig. Da trat einer in ihre Mitte, gerüstet mit einem guten Kettenhemd, bewehrt mit Schwert und einem Schild, das von einer siebenzackigen Raute geziert wurde. Sofort kehrte Ruhe ein. Der Ritter sah sich im Kreise seiner Krieger um, dann nickte er bedächtig. "Auf geht's, ihr Tapferen. Wir streiten für eine gerechte Sache. Alamar ist mit uns", sagte er sodann mit fester, tiefer Stimme, und befahl den Angriff.

Gérard und Holbert brauchten einige Sekunden, bis sie die Gestalten, die sich aus den Schatten des Waldes schälten, bemerkten. Sofort eilten sie zu ihrem Lager und brüllten dabei aus Leibeskräften. Der Ritter mit dem Strahlenwappen lachte nur. "Lasst sie am Leben, wenn ihr könnt, doch lasst keinen entkommen, bevor wir nicht haben, wofür wir hergekommen sind!" Schon prallte Schwert auf Schild, Speer gegen Brünne, und der Kampf entbrannte. Die Mannen Voranenburgs wähnten sich siegessicher, hatten sie doch wie stets das Moment der Überraschung auf ihrer Seite - doch heftiger Widerstand warf sie zurück, und entgeistert sammelten sie sich um den Schild ihres Herren. Da ging ihnen auf, dass sie in eine Falle getappt waren. Ihnen stand kein ungerüsteter, verschlafener Haufen gegenüber. Vor ihnen standen Krieger, die ihren Angriff wohl erwartet hatten, ihnen zahlenmäßig ebenbürtig! Und aus der Böschung zu ihrer Linken kamen mehr. Das Mondlicht spiegelte sich auf ihren weißen Röcken.

Angesichts dieser Übermacht trat der Herr Alfred von Sternenruh vor die Seinen, wie es einem Rittersmann gebührte. Er hatte erkannt, dass der Tag, oder vielmehr die Nacht, verloren war, und gemäß Fehderecht und Gesetz hatte er nun die Wahl zu treffen, wie weit er für die Belange seines Herren gehen würde. Hier gab es nichts zu gewinnen. Und so legte er die Waffen nieder und bat um Freiheit für die Seinen, war er doch der einzige Herr von Stand in diesem Kampfe, und ihn sollten sie nehmen, und Voranenburg sollte ihn auslösen, wenn er dem Grafen denn soviel wert sei.

Und als die Sonne über die Baumwipfel trat, da fiel ihr Licht auf einen frischen Hügel, aufgehäuft aus brauner Erde, und darin steckte ein Pfahl, und an diesem war ein Schrieb genagelt, der allen Reisenden kund tat, dass ein Ketzer dort lag, der sich mit schwarzen Mächten eingelassen hatte - ein Ketzer aus Voranenburg.
« Letzte Änderung: 17. Apr 19, 21:00 von Vanion »
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