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Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches => Gruppen auf Reisen im In- und Ausland => Thema gestartet von: Lilac am 27. Apr 19, 00:35

Titel: Juliennes Weg
Beitrag von: Lilac am 27. Apr 19, 00:35
Julienne, ehemalige Gardistin aus Goldbach, trieb ihr Pferd an.

Sie wusste, dass sie nicht mehr zeitgleich mit dem Tross um die Baronin in Pfauengrund beim Fest der Grenzen ankommen würde, doch sie ließ Hexe dennoch schnell laufen, um Madame wenigstens noch vor der Abreise anzutreffen.

Irgendwie war es selbstverständlich gewesen, dass sie die Stute nahm. Jahrelang waren die beiden ein gutes Gespann gewesen und Hexes Launen machten es für jeden anderen schwer, mit ihr klarzukommen.
Noch immer war nicht geklärt, wie es sich in Zukunft mit den beiden fügen würde - niemand hatte Julienne gesagt, dass sie Hexe weiterhin reiten durfte oder ob dies nicht mehr so war. Und die ehemalige Gardistin, die nun dem Falkner der Burg zugeteilt worden war, getraute sich nicht so recht zu fragen. Unterbewusst hatte sie fürchterliche Angst, die Stute zu "verlieren".

So genoss Julienne diesen Ritt umso mehr. Hexe freute sich über die langen Strecken und das rasche Tempo.
Das wenige Gepäck, das ihre Reiterin dabei hatte, störte das Pferd nicht im Geringsten.

Dennoch achtete Julienne auch darauf, regelmäßige Trab- oder Schrittpausen zu machen. Hexe quittierte dies mit unwilligem Kopfschlagen, Tänzeln und Schnauben, doch ihre Reiterin ließ sich nicht auf Diskussionen ein. Sie wartete, bis der Atem ihres Pferdes wieder ruhig und der Schweiß am Hals abgetrocknet war.
Dann blieb sie noch eine Weile in der langsameren Gangart, bevor sie Hexe wieder antrieb.

Als es Abend wurde, suchte Julienne für sich und die Stute eine von der Straße abgelegene Lichtung mit üppigem Gras und einem durchfließenden Bach auf. Ein kleines Feuer würde etwas Wärme spenden und Tiere abhalten. Jedoch achtete die ehemalige Gardistin darauf, das Licht abzuschirmen, sodass es vom Weg aus nicht so leicht zu erkennen war. Sie hatte keine Lust auf Besuch...

Nachdem sie das Pferd versorgt und das Feuerchen entzündet hatte, kramte Julienne in ihrem Gepäck. Sie band den Sack mit ihren persönlichen Dingen vom Sattel (dieser würde ihr später als Kopfunterlage dienen) und kontrollierte nochmal die Sachen in den Satteltaschen. In diesen befanden sich das Putzzeug von Hexe, ein Hufmesser, ein faltbarer Futtersack, zwei 5-Pfund-Säcke Hafer, Lederpflege-Utensilien und ein kleines Notfall-Set an Bandagen und einer Heilsalbe, falls sich das Pferd einmal verletzte.
Zufrieden verschloss Julienne die Satteltaschen sorgfältig wieder und holte ihre Dinge aus dem Packsack. Da waren ein Ersatzhemd, etwas Unterwäsche, einige Sachen, die Frauen so brauchten, ein Beutel mit Proviant, ihr Büchlein, Schreibutensilien und nicht zuletzt der Falknerhandschuh.
Julienne hatte keine Ahnung, warum sie den großen Lederhandschuh eingepackt hatte, aber sie erfreute sich an seinem Anblick. Das vom Fetten fast schwarze Grün kontrastierte hübsch mit den braunen Applikationen.
Doch dann überschattete das Bild des toten Ares ihre Freude. Sie war so stolz gewesen, als Alfred duMont Madame den Greifvogel übergeben hatte und sie ihn im Namen der Baronin annehmen durfte.
Sie hatte kurz zuvor die Falknerprüfung bestanden und Fleur den Zinnadler annähen lassen...
Doch nun war Ares tot. Und es war ihre traurige Aufgabe, Madame von seinem Dahinscheiden zu berichten.
Seufzend packte Julienne den Handschuh wieder ein...

Die Frau baute sich eine simple Lagerstatt aus einer Pferdedecke, dem Sattel und ihrem Umhang, aß etwas von ihrem Proviant und legte sich bald schlafen. Hexe würde sie mit ihrer Unruhe wecken, wenn jemand oder etwas sich dem Lager nähern sollte.

Mit den Geräuschen des Waldes in den Ohren fiel Julienne rasch in einen tiefen Schlaf.



Früh am Morgen erwachte die ehemalige Gardistin, weil die Stute sie anstubste. Genauer stubste sie die Packtaschen am Sattel an - sie wollte Frühstück.
Julienne stöhnte und grummelte, stand aber auf und versorgte zunächst Hexe, bevor sie selbst zum Bach ging, um sich den Schlaf aus dem Gesicht zu waschen.
Unweit von ihr knackte es im Unterholz und als die Frau aufsah, entdeckte sie am gegenüberliegenden Bachufer eine Hirschkuh. Das Tier schaute sie aus großen, schwarzen Augen an und wackelte mit den Ohren.
Als Julienne sich langsam aufrichtete, verschwand die Hirschkuh rasch wieder im Dickicht.

Mit einem leichten Lächeln ging Julienne zurück ins "Lager", löschte das Feuer, das über Nacht ohnehin schon weit heruntergebrannt war, packte alles zusammen, belud Hexe, sah sich noch einmal um, ob sie auch nichts vergessen hatte und stieg dann auf die Stute, um in den nächsten Stunden eine ordentliche Strecke zu schaffen...