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Autor Thema: Sommer in Barebury  (Gelesen 2253 mal)

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Offline Jeremias

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Sommer in Barebury
« am: 09. Aug 12, 21:57 »
Wieder einmal war der alte Alamartempel Zeuge denkwürdiger Ereignisse. Durch die hohen Hallen hörte man immer wieder streitende Stimmen, die Zeugnis von dem tiefen Zerwürfnis an diesem Ort ablegten. Fast schon beispielhaft dafür war der Streit zweier Novizen, die in der Nähe eines gerade näherreitenden Gastes im Regen streiteten. Während um sie herum wie so häufig in diesem Sommer der Matsch tiefer und tiefer wurde, standen sie mit erhobenen Fäusten voreinander, die Wassereimer vergessen neben ihnen liegend.
"Was glaubst du, wer DU bist, hier einfach Alamars Schriften zu zitieren? Meinst du, ich kenne sie nicht?" "Scheinbar nicht, du elender Magierfreund. Die Magier haben uns doch erst in diese Lage gebracht! Magische Rituale haben Konar wiedererweckt und der Pilgerzug war nur der Anfang." "Magie ist nur ein Werkzeug, wie ein Schwert. Bloss weil so ein paar alte Inquisitoren aus ihren Löchern gekrochen kommen, sollen wir wieder wie Fanatiker mordend durch die Lande ziehen? Fragt einmal Leute wie Damian, was er davon hält, wenn man den Pilgerzug als Entschuldigung zum Magierverbrennen verwendet?" "Erwähne bloss den Namen dieses weichherzigen Trottels nicht vor Meister Feuerschlag, sonst..."
Der wütende Novize wurde von einem Platschen unterbrochen, als hinter ihm der Reiter vom Pferd sprang. Er schlug die grüne Reisekapuze zurück und das markant behaarte und breite Gesicht von Damian kam zum Vorschein. "Ja, junger Novize, fahrt doch fort. Was passiert, wenn man meinen Namen erwähnt?" Aus dem Konzept gebracht, antwortete der Novize widerspenstig: "Ich glaube, es ist besser für euch, Flamen Damian..." Er sprach den Satz nicht zu Ende. Ein grosser Schritt und Damian stand direkt vor ihm. "Flamen Magnus Damian für dich, impertinenter Bursche." In seinen Augen blitzte das Temperament auf, was seit seiner letzten Prüfung ein Teil von ihm geworden war. "Und ich glaube, es ist besser, du sagst nichts mehr. Tue lieber deine Arbeit. Und bedenke folgendes: Ich zähle einige Magier zu meinen Freunden. Diese Magier haben viel Gutes im Pilgerzug getan und im Namen der Götter gekämpft. Wenn du also schlecht über Magier redest, bedenke, sie sind Mitpilgerer und Freunde eines Flamen Magnus."
Damian drehte sich abrupt um und ließ den Novizen im Regen stehen. Bei sich dachte er: 'Um der Götter Gnade willen, was ist nur jetzt wieder kaputt gegangen.'


Im Tempel selber bemerkte er viele verstummende Gespräche in seiner Nähe und den einen oder anderen Mitstreiter vom Ahrnwall, der das Gesicht abwandte. Nichtsdestotrotz behandelte man ihn seiner Stellung entsprechend und mit grosser Zuvorkommenheit.
Der erste echte Angriff auf seine Autorität fand beim Abendessen statt. Flamen Magnus Henus, ein sehr alter Mann, hatte Damian gebeten, beim Abendessen kurz das Gebet zu sprechen. Kaum stand Damian auf, fing ein guter Teil der Anwesenden an, laut Lobpreisungen auf das reinigende Feuer Alamars zu singen. Auch nach einigen ruhigstellenden Gesten von Flamen Henus hörten sie nicht auf, erst als Damian sich wieder setzte, wurde es ruhig. Doch kaum öffnete er wieder den Mund, da fingen sie wieder an.
Kurz sah man Damians Fäuste sich ballen, dann lächelte er breit. Und stand auf. Sofort gingen die Gesänge wieder los. Doch entgegen dem vorherigen trat Damian vor den Tisch und sang mit. Er forderte alle im Saal auf, es ihm gleich zu tun. Nach einigen Minuten wurde die Gruppe der Störer leise und auch Damian wurde das. Kurz war Stille im Saal. Damian lächelte sie an und öffnete den Mund zum Sprechen, während er gleichzeitig nach Zeichen suchte. Ein älterer Mann gab ein kurzes Handzeichen und sofort ging der Gesang wieder los. Selbst mitsingend schritt Damian zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: "Meister Feuerschlag, nehme ich an? Ich kann das die ganze Nacht." Danach richtete er sich wieder auf und wanderte durch den Essenssaal.
Das "Spielchen" wiederholte sich mehrfach, bis schliesslich einem Novizen und Flamen nacheinander die Stimme wegbracht und zum Schluss nur noch Meister Feuerschlag und Damian übrig blieben. Damian lächelte und sprach laut, lauter als Feuerschlag noch singen konnte: "Nun, nach diesem hervorragenden Beispiel von Andacht und Demut müssen wir wohl zur Mitternachtsandacht. Das Essen sollten wir den Bedürftigen schenken, wir haben es offenbar nicht nötig." Sofort fingen die Anwesenden, die nicht zu Feuerschlags Gruppe gehörten, an abzuräumen. Kurz funkelte Feuerschlag Damian wütend an, aber dann setzte er sich ebenfalls in Bewegung, um zur Mitternachtsandacht zu gehen.


In den folgenden vier Wochen gab es keinen solch grossen Zwischenfall. Damian verzichtete auf allzu herausragende Auftritte und auch Meister Feuerschlag beließ es bei kleinen Sticheleien. Nichtsdestotrotz war die allgemeine Stimmung in dem alten Gemäuer schlecht. Man hatte Geschichten von Damians Temperament gehört und so mancher hatte erlebt, was denen passiert, die zu laut gegen Feuerschlag sprachen. Das schwüle und unangenehme Sommerwetter trug sein Übriges dazu, als ob Alamar selber betrübt war ob des Zwists seiner Kinder.
Damian verbrachte die Zeit mit vielen Einzelgesprächen mit diversen Leuten, die er aus dem Pilgerzug kannt. Die meisten Gespräche schien er mit nachdenklicher Miene zu beenden, zumindestens soweit es Feuerschlags Leute betraf. Nachdem er eine Kiste geliefert bekommen hatte, liefen vermehrt Leute mit kleinen Sonnenamuletten herum, deren Bedeutung bald klar wurde. Damian hatte sie gesegnet, so daß in mehreren Fällen helle Lichter erstrahlten, als Feuerschlags Meinung mit Knüppeln durchgesetzt werden sollte, und Damian immer dort auftauchte, wo seine kleinen Geschenke hell leuchteten. Nur einmal wagte es ein besonders mutiger - oder dummer - Novize, Damian anzugreifen. Eine Ohrfeige später, verbunden mit Alamars brennendem Zorn, bereute er seine Tat, insbesondere da seine Keule kurz vor Damians Brust von einem hellen Leuchten gestoppt wurde.
Eines wurde im Verlauf dieser vier Wochen klar. Nur sehr wenige Flamines folgten Feuerschlag, seine Anhängerschaft bestand aus einigen alten Inquisitoren, die wie er Konars Herrschaft überlebt hatten und einer grossen Gruppe Novizen.


Das, was viele erwarteten, geschah schliesslich. Als der alte Tempelvorsteher Henus beim Morgenspaziergang stolperte und sich die Hüfte brach, ein selbst mit Alamars Hilfe langsam heilende Verletzung, musste jemand für ihn die nächsten Opferdienste übernehmen. Am ranghöchsten war eindeutig Damian, aber länger im Ort als er war Meister Feuerschlag. Vor dem Eingang des Alamartempels kam es zu dem Zusammentreffen der beiden Männer, der eine keine 30 Jahre alt und nur ob seiner vielen Taten bereits Hohepriester, der andere fast die Hälfte älter und ein jahrelanger Streiter der alten alamarianischen Inquisition. Nachdem für einen kurzen Augenblick beide versuchten, als erster den Tempel zu betreten, blieben sie stehen, starrten einander an und schwiegen kurz. Dann ergriff Feuerschlag als erster das Wort.
"Ah, Flamen Damian, ihr wollt zu meinem Opferdienst? Das freut mich sehr."
"Ganz und gar nicht, Herr Feuerschlag. Ich bin auf dem Weg zu dem Opferdienst im Haupttempel, der nach Sitte und Gesetz vom ranghöchsten Flamen durchgeführt wird. Die Kapelle für euch ist dort drüben."
"Junge, für dich immer noch Meister Feuerschlag, soviel Respekt wirst du wohl noch haben, auch wenn du sonst ein wenig überheblich zu sein scheinst."
"Nun Meister Feuerschlag, dann ist es für euch auch Flamen Magnus Solis Alamariani Damian aus Voranenburg. Und mit Verlaub, ihr seid nicht mein Vater und daher steht es euch kaum zu, mich Junge zu nennen. Wie dem auch sei, wäret ihr nun so freundlich, mich zu meinem Opferdienst gehen zu lassen?"
"Ich glaube nicht, Junge. Ich glaube, man sollte euch ein wenig Manieren beibringen." Bei diesen Worten fiel Feuerschlags Hand wie zufällig auf seinen schweren Streitkolben.
Damian lächelte und wie zur Antwort fiel seine Hand auf das Schwert, dass er unter seinem Mantel trug.
"Nun, Inquisitor," das Wort spuckte Damian beinahe aus, "wie genau habt ihr euch das denn vorgestellt?"
Inzwischen hatte sich eine grosse Menge angesammelt und viele der anwesenden Parteigänger Feuerschlags griffen fester um ihre Stöcke und Knüppel.
Damian ließ seinen Blick über die Menge streifen. "Habt ihr vor, einen Flamen Magnus auf den Stufen eines Alamartempels niederknüppeln zu lassen? Nun, das müsst ihr dann schon alleine tun. In Alamars Namen, ich nehme euch nun bei eurem Wort!"
Bei diesen letzten Worten wurden viele der Flamines und Novizen, die bisher unbeteiligt waren, aktiv und griffen ihren Brüdern in den Arm. Mit sanfter Gewalt und einer rein zahlenmässigen Übermacht wurden diese im Zaum gehalten, auch wenn sie bewaffnet waren.
"Nun, Meister Feuerschlag, was nun? Wollt ihr mit mir die Klinge kreuzen? Ich habe bereits im Pilgerzug gestanden, habe mit firngardischen Rittern gekämpft und Szivarsmonster bekämpft. Geht, Meister Feuerschlag, verlasst Barebury. Und seid gewarnt, ich bin nur gnädig, weil ich nicht auf den Stufen eines Tempels Blut vergiessen möchte." Damians Stimme zitterte inzwischen vor beherrschter Wut und seine Hand am Schwert hatte sich inzwischen weiß verkrampft. Die andere Hand umklammerte sein Symbol, welches hell blinkte im Sonnenlicht.
Auch sein Gegenüber war nicht minder wütend. Doch mit Blick auf seine Umgebung und den bewaffneten Damian wusste Feuerschlag, das hier wäre nicht mehr die sichere Attacke von Vielen, sondern ein Duell zwischen ihm und einem Flamen Magnus. Selbst wenn er hier gewinnen würde, seinem Werk würde nicht geholfen, zuviele Freunde hatte Damian, die ihn jagen würden.
"Also gut, Flamen Magnus. Ihr hattet euren Auftritt. Aber glaubt nicht, ich vergesse, wie ihr das ewige Feuer Alamars hier verraten habt. Wenn euch eure Magierfreunde opfern, dann denkt an meine Worte. Und wenn ihr in den ewigen Fluten untergeht und ich euren toten Leib Nekromanten entreisse, dann denkt an meine Worte. Ihr seid schwach und weich und werdet daran zugrunde gehen."
Ohne ein weiteres Wort drehte sich Feuerschlag um und stolzierte davon. Auf ein Zeichen Damians wurden seine Parteigänger losgelassen und viele eilten ihm nach, um noch zur selben Stunde den Tempel zu verlassen. Damian wandte sich an die Übrigen.
"Lasst uns dies nun vergessen und Alamar das Seine darbringen." Er drehte sich wieder um und betrat den Haupttempel und vollzog den mittäglichen Opferdienst.


Damian blieb noch eine weitere Woche, bis Henus wieder soweit genesen war und verabschiedete sich dann auch. 'Ich muss nach Fanada reisen und mit Gorix sprechen. Er muss davon erfahren, damit er es auf der Akademie verbreiten kann.'