Die Gebiete in Caldrien > Engonia - die einstige Kaiserstadt

Wassilij in Engonia

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Wassilij:
Wassilij betrat eine beliebige, beinahe namenlose Taverne. Zumindest nachdem zu urteilen, was noch auf dem Schild vom Namen zu erkennen war. Er trug keine offensichtlichen Waffen und war in einfache Kleidung gewandet. Die Farben verblichen und der Stoff, nun ja, verschlissen und geflickt. Kurzum in diesem Viertel, könnte er jedermann sein. Oder eben niemand.

Es war an der Zeit gewesen, so fand er, seine alten Fähigkeiten wieder zu schulen und diese Wahl hatte er zufällig bestimmt.

Als er die Tür öffnete, schwappte ihm schon der Geruch entgegen, der Tavernen wie dieser hier anhaftete. Während er den Schankraum betrat, schaute er sich um, als ob er nach bekannten Gesichtern suchen würde und lies seine Mimik Enttäuschung zum Ausdruck bringen, als er niemanden sah. Aber das wollte er ja auch nicht. Er hatte ein wenig Dreck und Schminke verwendet, um sein Gesicht zu tarnen.

Also ab ins Gewühl. er machte sich zunächst auf den weg zur Theke und hörte nach links und rechts, ob er nicht etwas interessantes hören könnte.

Lilac:
Der Geruch nach Erbrochenem, verschüttetem Bier, Schweiß und ungewaschenen Körpern war im ganzen Raum zugegen. Während an der Tür noch ein Hauch frischer Luft das Atmen leichter machte, wurde gegen Mitte des Raumes die Luft zum Schneiden dick, da an der Rückwand ein offener Kamin qualmte. Über den Flammen blubberte irgendein undefinierbarer Eintopf vor sich hin.
Eine sehr rundliche Schankmaid mit verdreckter Schürze und einem schmuddeligem Kleid kämpfte sich mit einfachen Krügen und billigen Schalen durch die Zecher. Ihre derben Flüche und zotigen Scherze passten perfekt zum Publikum des Ladens.
Hinter der Theke zapfte der ebenfalls sehr beleibte Wirt dunkles Bier (erstaunlich reichhaltig in Duft und Geschmack), schenkte einen Schnaps aus, der einem die Tränen in die Augen trieb und scheuchte die Schankmaid herum.

An der Tür saßen an einem Tisch drei Gardisten niedrigen Ranges und maulten über irgendeine neue Order. Offenbar fühlten sie sich in dieser Umgebung sicher vor möglichen hochgestellten Ohren, denn schon bald wurde aus der Maulerei über Anordnungen feistes Gemecker über die Vorgesetzten.
"...dieser dämliche Schnösel! Wenn der miterlebt hätte, was ich schon geseh'n hab..." - "Ach, du weißt doch, wie die sind! Kaum erhebt man sie auf 'nen Posten, schon vergessen sie, wie's 'unten' war!" - "Ja, ja, es is wie bei die Hühner auffer Stange! Guckste nach unten, siehste nur Scheiße! Und guckste nach oben, siehste nur Arschlöcher!" - Gelächter...

Die Theke bot 5 Hockerplätze, von denen zwei jeweils am Tür-Ende und einer am anderen Ende besetzt waren. Die beiden Männer am vorderen Bereich diskutierten über die Preisentwicklung in Engonia ("Ich sag dir, es sind die ganzen zurückkehrenden Flüchtlinge, die die Preise kaputt machen!"), während der einzelne Mann am hinteren Thekenende sich mit dem Wirt unterhielt. Seiner Statur und der Lederschürze zufolge war er Schmied.

An einem Tisch in der Mitte des Raumes stritten sich zwei Frauen: "...und ich sag dir, die Alte bescheißt! Das waren nie im Leben 5 Ellen!" - "So'n Quatsch! Wenn du nicht auseinandergegangen wärst, wie ein Hefekloß, würde dir der Fetzen auch passen!" - "Willst du etwa sagen, ich wäre dick geworden?!?" - "Nein, ich will sagen, du bist FETT geworden!" - "DAS LASS ICH MIR VON DIR NICHT BIETEN!" - "PAH! Dann geh doch allein zu diesem Garnmacher und kauf das Zeug für deine lächerlichen Borten! Wirst ja sehen, was der dir für'n Preis macht, wenn ich nicht dabei bin!" - Gezeter

Daneben saßen vier Männer beim Würfelspiel. "...will mir seine olle Mähre verkaufen." - "Da macht ihr beide kein gutes Geschäft, an dem Vieh ist doch nix dran!" - "Na, für 'nen Sauerbraten wird's doch wohl noch reichen, oder?!" - "Da kannste auch Schuhsohlen kauen!" - "Ich denk, für's Leder und für Mähne und Schweifhaar kann ich noch was rausschlagen." - "Hast du dir das Vieh mal angeguckt? Die sieht aus, als hätt einer 'ne Ziege dran knabbern lassen!" - "Na, was soll ich denn machen? Um sie irgendwo einzustallen und fett zu füttern fehlt mir das Geld!"

Nahe dem Feuer hockten zwei ältere Männer in verlottertem Zustand und kippten einen Schnaps nach dem nächsten.
"Buah, das Zeug ist fast so schlimm, wie der Travarica von dem alten Starinski!" - "Jau, fürchterlich!" - Gelächter - "HE WIRT! NOCH EINEN!" - "BRING ZWEI!"

In der hintersten Ecke saß hinter einem Tisch, den gesamten Schankraum im Blick, ein dunkel gekleideter Mann, an dessen Seite eine dralle Schönheit lehnte, die ihm mit langen, lackierten Fingernägeln den Nacken kraulte. Die ganze Erscheinung des Mannes war um Unauffälligkeit bemüht. Sein Haar war braun und im Gesicht trug er einen Drei-Tage-Bart. Die Kleidung schien von guter Qualität; Borten und Stickereien waren kunstvoll, aber in ebenso gedeckten Farben, wie der Stoff darunter. Im krassen Gegensatz dazu war die Frau geradezu unmöglich zu übersehen: Ihr Gesicht war stark geschminkt, die lockige Haarpracht hell gefärbt. Das Mieder aus rötlich gefärbtem Leder presste ihre üppige Oberweite fast aus dem Ausschnitt ihres hellen, schulterfreien Hemdes. Goldfarbene Ohrringe, mehrere Glasperlen-Ketten um den Hals und unzählige Armreifen aus Messing klapperten bei jeder Bewegung. Unter dem Mieder präsentierte sich eine ausladende Hüfte unter Unmengen von rosa-rotem Stoff, die mit einem Tuch mit klimpernden Münzen noch hervorgehoben wurde. Der recht hoch angesetzte Rocksaum ließ den Blick auf das helle Unterkleid, verschlissene, rote Frauen-Lederstiefel mit erhöhtem Absatz und ein Stück der Unterschenkel frei.
Bemerkte die Frau, dass sie angeschaut wurde, entblößte sie in einem breiten Lächeln einen Mund voller gelber und fauler Zähne.
Etwas abseits dieses Paares stand noch ein kleiner, verschlagen wirkender Kerl mit einer breiten Narbe quer über dem Gesicht.
Auf ein fast unmerkliches Nicken des dunkel Gekleideten hin scheuchte der Wirt die Schankmaid mit einem großen Humpen schäumenden Bieres zu dessen Tisch.

Es war noch früh am Abend - ein Teil der Tische und Stühle und auch zwei Plätze an der Theke waren noch nicht besetzt.

Wassilij:
Wassilij steuerte die Theka an. Hier ließ sich vieles aufschnappen. Wahrheit, Gerüchte und mehr.

Hier ließ er sich ein Bier kommen, zeterte ein wenig über den Preis und die allgemeine Stimmung in Engonia. Immer wieder sah er erwartungsvoll zur Tür, das doch seine Kumpanen endlich kommen mögen, obwohl er genau wusste, das niemand kommen würde. Er spielte die Rolle. Heinrich, genannt Hein, ein Tagelöhner auf der Suche nach Arbeit. Aber er wusste genau, dass er hier nichts finden würde. Das war die beste Tarnung. So würde ihn morgen niemand bei der Arbeit vermissen und jeder der sagte:

"Komm'se morgen nach dem Schreiner, wo ich schaffe, kriste 'n Lohn für 'n Tach!"

War am nächsten Tag der Überzeugung, Hein hätte irgendwo anders Arbeit gefunden. Geschickt schmeichelte sich Wassilij, nein, Hein hier und dort ein, in dem er völlig unscheinbar und unauffällig das ein oder andere Bier ausgab.

Die Stunden krochen dahin und Wassilij musste sich immer wieder zusammenreißen, um nicht unaufmerksam zu werden. Irgendetwas gab es sicher heraus zu finden.

Lilac:
Der Wirt war ein freundlicher Typ. Er wusste Gäste, die in Ruhe tranken ohne Ärger zu machen, durchaus zu schätzen.
"Na, Jung?!? Deine Freunde scheinen dich ja ganz schön warten zu lassen, hm?! Noch 'n Bier?"

Der Schmied an der Theke erzählte dem Wirt und 'Hein dem Tagelöhner' von dem blonden Burschen, der seit einiger Zeit beim Pferdehändler arbeitete und offenbar ein glückliches Händchen mit den Viehchern hatte.
"Seine Schwester soll ja auch ganz geschickt sein, aber der Vater lässt sie wohl nicht aus dem Haus..."

Die Gardisten an der Tür wurden zunehmend betrunkener und sangen "Mägdelein reib mir nochmal über'n Bauch..."

In der Mitte des Raumes hatten sich die beiden Frauen inzwischen wieder vertragen und lästerten einträchtig über irgendeine dritte. "Die hebt ja wohl auch für jeden die Röcke!" - "Und nachher schiebt sie wieder alles auf Lavinia. Als wenn die jemals Götterfürchtig gewesen wäre!"

Die vier Würfelspieler, von denen der eine offenbar Rossschlächter war, waren derweil in die Diskussion, wie eine korrekte Salami hergestellt würde, verstrickt.

Die alten Schnapsdrosseln krakeelten in der Zwischenzeit nach mehr Schnaps und riefen dem Wirt zu, er solle doch auch Šljivovica ausschenken, was dieser jedoch mit einer wegwerfenden Bewegung abtat.
"Ich bin Engonier! Also gibt's bei mir auch nur gutes, engonisches Gesöff!"

Zu dem seltsamen Kerl im Hintergrund kamen immer mal wieder einzelne Personen. Manche setzten oder stellten sich in die Nähe, andere sprachen kurz mit ihm und gingen wieder. Gelegentlich wurden Sachen hin- und hergereicht.

Ansonsten füllte sich die Taverne langsam mit Leuten. Viele waren einfache Zecher, die nach dem Tagwerk ein erfrischendes Bier trinken wollten. Man sprach über das Wetter, tauschte den neuesten Klatsch aus ("Haste gehört, Karl, der Sohn vom Schuster Kurt und die Küfers-Lene heiraten!") und genoss den Frieden.

Die Schankmaid hielt 'Hein' eine Schüssel mit Eintopf unter die Nase. Das Zeug hatte eine bräunliche Grundfärbung und eine pampige Konsistenz. Reste von Lauch, Zwiebeln, Rüben, Linsen und das ein oder andere Stück knorpeliges Fleisch ließen sich gerade noch so erkennen. Hier und da schwamm ein Knochen in der Mischung. Vermutlich kochte dieses Gericht schon seit Eröffnung der Taverne über dem Feuer. Und wann immer neue Zutaten verfügbar waren, kamen sie mit etwas Flüssigkeit (z.B. schal gewordenes Bier) zum Auffüllen in den Kessel.
"Willste auch 'ne Portion? Nur 3 Kupper!", fragte die rundliche Frau.

Wassilij:
Wassilij feilschte mit der Frau lauthals um den Preis des Eintopfes. Letzten Endes zahlte er jedoch 3 Kupfer und einen für ein nettes Lächeln.

Šljivovica ließ ihn aufhören. Beim wirt kaufte er Schnaps und ging zu den Trinkern hinüber.

" 'N sccchhhönen N'Abend wünsch isch. Isch hör' ihr mögt Schnnn... Schnnnnaps? Isch hab hier..." Leicht torkelnd und verschwörerisch grinsend hielt er verdeckt eine Flasche Schnapps hin. "Pssccchhht... Is g'eim!" Wassilij tat, als ob er einen tiefen Zug trinken würde. in Wahrheit hielt er die Flasche mit der Zunge zu und hatte vorher im Gedränge etwas verschüttet.

"Was is'n das Slijo... Sliko... Slisauzeusch? I's gud? ka man's tringe?"

Schwer und offensichtlich betrunken lies sich Wassilij zwischen die Männer auf eine Bank fallen.

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