Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

Burg Goldbach , Winter 269/270

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Francois:

Zum alljährlichen Mohnfest, welches die Schwestern des Hauses Liebenstein ausrichteten, war Madame wieder soweit auf der Höhe, dass die Goldbacher Delegation in guter Stärke teilnahm. Neben Madame waren Chevalier de Bressieux, Mademoiselle de Chiragan und Souer Alexanne zugegen. Des weiteren Reynard, Francois und Rimac als Bedeckung sowie Sophie, die sich seit der Grenzwacht gut im Hause Goldbach und bei den anderen Mägden eingelebt hatte. Auch Andarin, der Knappe des Chevaliers Yezariael begleitete Madame, wollten er und sein Herr sich doch in Liebenstein treffen, nachdem letzterer eine ganze Zeit in Krayn verbracht hatte.
Die Feierlichkeiten fanden gewohnt gediegen als Volksfest mit Spiel und Zeitvertreib auf dem Sitz der Familie statt und boten Gelegenheit, alte Freunde zu treffen und neue Bekanntschaften zu machen.
Einzig das Wetter zur Mitte des elften Monats machte alles ein wenig zu schaffen, und so waren die Räume stärker belebt als Hof und Wiesen. Der allgemeinen Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch.

Francois:
Auch der Jahresabschluss der Königstreuen, zu welchem der Feldherr Brahndt von Hervindahl in die Gemäuer der Burg von Sophie Camile de Gabille geladen hatte, waren eine Ansammlung an Glanz und Feierlichkeit. Viel Kurzweil, Spiel und Tanz und natürlich, wie sollte es bei so vielen Menschen von Stand anders sein, auch Ränkespiel untereinander, aber alles im freundschaftlichen Rahmen.

Im Anschluss zogen die Goldbacher wie zu jedem Jahreswechsel nach Donnerheim an den Hof. Francois hoffte inständig, dass Dinge wie vor zwei Jahren diesmal ausblieben. Damals gab es im Nachhinein denkwürdige Momente für den einen oder anderen...

Auf Goldbach selbst war der Winter mit all seiner relativen Ruhe eingekehrt. Ein milder Winter, der Schnee war ausgeblieben, dafür hatte es umso mehr geregnet, was die Wege und Stressen in Schlammbahnen verwandelt hatte.

Die politischen Angelegenheiten in den Nachbarländereien hatten sich (noch?) nicht über die Droor ausgebreitet.

Lilac:
"Amelíe! Amelíe!"
Fleur seufzte. Wo bei allen Göttern mochte das Mädchen schon wieder stecken?
Die Wäschemagd sah in der Halle und in der Küche nach. Niemand hatte die Kleine in der letzten Zeit gesehen.
Draußen auf dem Hof fiel aus grauem Himmel ein nerviger Nieselregen, der rasch die Kleidung durchnässte und die Glieder mit seiner Feuchtigkeit verkühlte.
Auch hier, Lavinia sei's gedankt, fand Fleur ihre Tochter nicht.
Sie eilte zu den Stallungen, doch auch dort war Amelíe nicht zu sehen.
Erneut ging es durch das Schmuddelwetter und Fleurs Laune wurde so grau, wie das Wetter. In Gedanken hielt sie dem Mädchen bereits eine ordentliche Standpauke.

Es dauerte eine Weile, bis Fleur alle Orte, an denen sie ihre Tochter vermutete, abgesucht hatte. Der Weg führte sie dabei in sämtliche Stallungen, die Falknerei, durch Scheunen und Werkstätten und sogar in die Quartiere der Garde.
Zu allerletzt, einem freundlichen Hinweis folgend, fand sie Amelíe in der Rüstkammer (AUSGERECHNET!).
Hier erklang die helle Stimme des Mädchens, begleitet vom Gelächter einiger Gardisten.
"Ich hab noch einen! Warum können Skelette nur schlecht lügen?", fragte das Kind gerade in die Runde.
Fleur hielt inne, wartete einen Augenblick, bevor sie die Türe zur Gänze aufstieß und sich zu erkennen gab. In ihrem Gesicht war die Wut deutlich zu erkennen.
"Weil sie so leicht zu durchschauen sind!", löste Amelíe das Rätsel auf.
Die Gardisten lachten erneut laut auf, während das Mädchen zufrieden mit ihren Reaktionen und erfreut über den eigenen Witz kicherte.

Plötzlich sah einer der Gardisten eine Bewegung an der Tür, wurde still und machte die restliche Gesellschaft auf seine Entdeckung aufmerksam. Amelíe brauchte einen Moment länger, um zu begreifen, was los war.
"Merde!", sagte sie leise und schlug sich die Hand vor den Mund.

Fleur explodierte.
Sie schoss giftige Blicke in jede Richtung und fauchte ihre Tochter mit knappem Befehl aus dem Raum. Nachdem das Kind die Rüstkammer verlassen hatte, sah sich die Wäschemagd noch einmal um.
Die Gardisten waren "eigentlich" beschäftigt. Überall lagen Rüstteile und Polierzeug herum. Rasch nahmen die Leute ihre Tätigkeit wieder auf, einige mit eingezogenem Kopf und gesenktem Blick.
Schnaubend, aber ohne ein Wort verließ Fleur die Truppe, griff vor der Tür nach dem Ärmchen der wartenden Amelíe und "schleifte" das Mädchen den ganzen Weg zurück in die Halle der Burg.
Zunächst versuchte das Kind, sich rauszureden. Dann wurde es zornig und schließlich weinerlich.
"En voilà assez! Genug!", schnauzte Fleur und danach war Amelíe still.

In einer ruhigen Ecke hieß die Wäschemagd ihre Tochter stehen bleiben.
"Qu'est-ce qu'on va pouvoir faire de toi? Was soll bloß aus dir werdön?!?", fragte sie das Mädchen zornig.
Amelíe blickte trotzig und beleidigt zu Boden.
"Du zählst jetzt zehn Wintär, Kind! Meinst du, dass das Erzählön dummär Abenteurer-Witzö und das Ablenkön där Gardistön von ihrär Arbeit das rischtige für ein Mädchön deinös Altärs ist?!? Wann 'ast du zuletzt gestickt? Wann genäht? In där Küsche ge'olfän? MIR ge'olfän? Non! Petit Amelíe muss mit dön Gardistön 'erum'ängen, Büschär und Schriftrollön lesön, Falkön auf dem Arm tragön, reitön und sisch mit Tier'aarön einsauän!"
"Aber Mama, ich...", begehrte das Kind auf, doch Fleur unterbrach sie.
"Isch will nischts 'örän! Du gehst SOFORT ins Bett! Und morgän unter'altön wir uns darübär, wie es mit dir weitärgeht!"

Lilac:
Die Tage vergingen.
Fleur hatte ihrer Tochter ein straffes Programm verpasst. Sie weckte das Mädchen früh und schickte es nach dem ankleiden Wasser holen. Bevor sie frühstücken durfte, musste sie in der Küche helfen. Danach standen Wäsche waschen, flicken, nähen und diverse Handarbeiten auf dem Stundenplan. Nach dem Mittagessen half Amelíe beim Spülen, Abtrocknen und Aufräumen in der Küche. Dann durfte sie etwas Zeit mit Lernen verbringen. Am Abend zeigte Fleur ihr, wie man sich um die Wäschevorräte kümmerte, einen Überblick behielt, was vorhanden war und was gebraucht wurde und wie man aus alten Textilien noch nützliches herstellen konnte.
Oftmals war das Mädchen am Abend so müde, dass es beim Essen kaum das Gähnen unterdrücken konnte, wenn es nicht gar einnickte.

Amelíe versuchte sich zu wehren. Sie bockte, argumentierte und jammerte.
Fleur redete sich und dem Kind ein, es sei zum besten für das Mädchen.
Doch Fakt war, dass Amelíe mit ihrem neuen, straffen Aufgabenplan immer unglücklicher wurde.

Und so betete die Wäschemagd zu Lavinia, ihr ein Zeichen zu senden.

Eines Nachmittags, als Amelíe wieder einmal etwas Zeit hatte, um zu lernen, überraschte sie ihre Mutter.
Plötzlich stand sie vor Fleur, die gerade stickte.
"Mama?", fragte das Mädchen zaghaft.
Fleur blickte von ihrer Arbeit auf und konnte ein kurzes, unwilliges Stirnrunzeln nicht unterdrücken. Amelíe hatte ein dickes Buch an ihre Brust gedrückt. Vermutlich wieder irgendeine irrsinnige Geschichtensammlung über Abenteuer und fabelhafte Wesen...
"Was gibt es, ma chérie?", sagte sie dennoch.
"Mama, hier in dem Buch...", begann Amelíe und schlug eine Seite auf, die sie mit einem ihrer selbstgemachten Lesezeichen markiert hatte.
Das Mädchen zeigte auf eine kunstvolle Abbildung einer Edeldame hoch zu Ross, die einen Greifvogel auf der Faust hatte.
"Meinst du, ich könnte sowas sticken?", fragte es seine Mutter.

Da ging Fleur das Herz auf. Und sie dankte Lavinia für das Zeichen.
Sie legte die Stickarbeit zur Seite und zog ihre Tochter auf ihren Schoß.
Sie sahen sich das Bild gemeinsam an und fachsimpelten über Stiche, Garne und Farben. Da wurde Fleur klar, wieviel ihre Tochter doch gelernt hatte. Und als Amelíe begann, ihr etwas über die Geschichte zu dem Bild zu erzählen und wie sie persönlich die Stickerei, nach ihrem Wissen über Pferde und deren Ausrüstung und über Beizvögel, abändern wollte, traten der Wäschemagd die Tränen in die Augen.

Sie schniefte und Amelíe blickte zu ihr hoch.
"Weinst du etwa, Mama?", fragte sie erstaunt.
"Non, petit Amelíe... Isch... isch bin nur so dankbar.", erwiderte Fleur stockend.
"Dankbar? Wofür?", fragte Amelíe verwundert.
"Für das Erkennön des größtän Geschenks, das Lavinia mir je machön konntä.", sagte Fleur leise.
Amelíe sah sie mit schief gelegtem Kopf an. "Häh? Versteh ich nicht."
Da musste Fleur lächeln. Es war ein bisschen verunglückt, dieses Lächeln, aber es kam aus tiefstem Herzen.
"Du! Du bist das größtä Geschenk, dass mir Lavinia je machön konntö. Und sie 'at mir 'eute erneut gezeigt, wie wundervoll du bist."
Fleur drückte ihre Tochter an sich und küsste sie auf den Kopf und ihre Tochter kuschelte sich in ihren Arm.

Am Abend besprachen sie, wie es weitergehen sollte und einigten sich auf eine etwas gesündere Mischung aus Pflichten und Freiheiten...

Lilac:
Einige Tage später erreichten Nachrichten aus Donnerheim Burg Goldbach.
Auch für Fleur war ein Brief dabei. Da diese aber nicht lesen konnte, bat sie (in stiller Hoffnung, dass nichts prekäres in dem Schreiben stand) ihre Tochter darum, den Brief vorzulesen.
Amelìe kämpfte ein wenig mit Francois' Schrift, doch gelang es ihr, die Zeilen zu entziffern.
Fleur war äußerst entzückt und freute sich und verabredete mit ihrer Tochter, zu einem späteren Zeitpunkt an diesem Tage, eine Antwort zu verfassen.

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