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Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches => Geschichten und Gespräche => Thema gestartet von: Rikhard Kraftweber am 12. Aug 18, 21:04

Titel: Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 12. Aug 18, 21:04
Natürlich hatte Rikhard überaus pünktlich am vereinbarten Treffpunkt gestanden. Natürlich hatte Kydora sich um wenige Minuten verspätet, da war er sich absolut sicher. Er, Rikhard Kraftweber, war für seine Pünktlichkeit und seine Zuverlässigkeit schließlich bekannt, und keinesfalls hatte er sich in der Geschäftigkeit Fanadas verloren und ein wenig länger gebraucht.

Zumindest war er eingehend damit beschäftigt, Kydora genau diesen Umstand näher zu bringen. Auch, als sie längst auf der Straße waren und Fanada verlassen hatten. Zu ihrer Linken sahen sie in den sanften Hügeln den Buchenhof, dann kamen sie an der Abzweigung vorbei, wo es zum Bachlaufhof ging, und so, wie die Straße sich nach Osten schlängelte, so plätscherten auch ihre Gespräche dahin.

Nachdem Rikhard zugegeben hatte, sich verspätet zu haben ("Wenn auch nur wenige Minuten, da bestehe ich drauf, Kydora!"), hatten die beiden über unverfängliche Themen gesprochen. Irgendwie war ihnen beiden bewusst, dass diese Reise zumindest für Rikhard eine gewisse Bedeutung hatte. Der Magier kehrte in das Land seiner Geburt zurück, aber sah keineswegs aus wie ein felltragender Wilder mit Farbe im Gesicht. Stattdessen trug Rikhard, und schon das war ungewohnt für ihn, praktische Reisekleidung: eine braune Hose, eine kurze, etwas dunklere Tunika, und über die Schulter hing der Riemen einer bauchigen Umhängetasche.

"Es ist schon eine Weile her, dass ich auf einem Pferderücken saß."
Mit verzogenem Gesicht mühte sich Rikhard, in eine bequemere Position zu gelangen. Ruckte das Pferd nach vorne, ruckte er auch nach vorne, und der Sattelknauf bohrte sich in seinen Bauch. Dann kam unweigerlich der nächste Schritt, der ihn im Sattel wieder nach hinten warf. Und dann ging es wieder von vorn los.

"Und ich bin mir sicher, ich hab den schlimmsten Klepper in ganz Fanada unter mir! Seine Beine sind gewiss verschieden lang, deshalb hat er einen so schrecklichen Tritt. Mir tut alles weh!"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 12. Aug 18, 21:37
Kydora grinste innerlich, als Rikhard endlich seine Verspätung zugegeben hatte und strich sich eine der Federn tragenden Strähnen hinters Ohr. Sie war zufrieden mit seiner Wahl der Reisekleidung gewesen und auch wenn der Anblick zunächst wirklich sehr ungewohnt erschien, gewöhnte sie sich nach und nach an das Erscheinungsbild.

Die letzten Tage nach ihrer Rückkehr hatte Kydora ganz entspannt zusammen mit Mina verbracht. Gemeinsam hatten sie es sich in der Goldenen Nachtigall gut gehen lassen und es genossen einfach mal gar nichts tun zu müssen. Das hatte Kydora auch die Möglichkeit gegeben in Ruhe über Vieles nachzudenken. Dinge, die ein Ende gefunden hatten. Dinge, die neu begonnen hatten. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie an den Elementarfunken dachte, den sie an sich genommen hatte auf der letzten Reise.

Sie tätschelte ihr Pferd sachte am Hals und sah dann zu Rikhard rüber, welcher sich gerade über sein Reittier beschwerte. Als sie sah, wie er immer vor und zurück geworfen wurde, konnte sich Kydora ein Kichern nicht verkneifen. „Aber schon eine ganze Weile her, oder?“ fragte sie kess.
Sie musterte ihn noch einen kurzen Augenblick und begann dann wieder zu sprechen: „Du musst schon im Rhythmus mitmachen und dich nicht so schubsen lassen.“ grinste sie ihn an. „Versuch dich ein bisschen mehr drauf einzulassen und deinen Körper mitzubewegen. Das ist ja keine Kutsche, in der du einfach rumsitzen kannst.“ Sie ließ den Blick schweifen. „Wir werden eine ganze Weile unterwegs sein, also wenn dir jetzt schon alles weh tut… Hmm brauchst du eine Pause?“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 12. Aug 18, 21:52
"Pah, ich werd mir von einem Pferd nicht vorschreiben lassen, wie lange ich zu reiten habe!"

Eine halbe Stunde später begann ebendieses Pferd zu lahmen. Zumindest war Rikhard davon überzeugt. Zumindest hoffte er, dass Kydora ihm abkaufte, dass er davon überzeugt war. Tatsächlich wollte er schlicht nicht zugeben, dass ihm das Reiten überhaupt nicht lag.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 12. Aug 18, 22:00
Kydora schüttelte resigniert den Kopf und bremste ihre Stute. „Komm lass tauschen. Die Gute hier scheint mir eine sehr ruhige und pflegeleichte Dame zu sein.“ Sie setzte ab und strich ihrem Pferd über den Hals. „Dann nehm ich dein Pferd derweil.“ Abwartend sah sie ihn an während sie der Stute weiter über den Hals streichelte.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 12. Aug 18, 22:14
Rikhard nahm Kydoras Angebot an. Er nörgelte allerdings weiter, die nächsten ein bis zwei Stunden fast ununterbrochen. Nach und nach lies das Nörgeln allerdings nach, im selben Maße, wie seine Beweglichkeit zunahm. Irgendwann hatte er den Dreh raus. Zwar war er immer noch weit entfernt von Perfektion, aber zumindest tat ihm nicht mehr ständig irgendetwas weh.

Als sie zum Nachmittag hin an einem kleinen Weiher anhielten und die Pferde trinken ließen, stützte der Magier die Hände auf die Oberschenkel.
"Uff, morgen werd ich Muskelkater haben. Ich bin weder ein erfahrener noch ein guter Reiter. Wo hast du's eigentlich gelernt, mit diesen Höllentieren umzugehen?"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 12. Aug 18, 22:50
Kydora ritt zwischendurch immer mal ein Stückchen vor um den Wind in den Haaren und das Tempo zu genießen. Ließ Rikhard aber auch immer genug Ruhe, um wieder aufzuholen. Das Nörgeln kommentierte sie nur mit einem Augenverdrehen, atmete jedoch auf als es endlich nachließ.

An dem Weiher ließ sich Kydora mit dem Rücken auf den Boden sinken und starrte in den Himmel über ihnen. Mittlerweile waren endlich wieder vereinzelt Wolken zu sehen und die Luft war deutlich kühler als noch vor einigen Tagen.

"Auf den Reisen. Bin ja schon ein bisschen unterwegs mittlerweile und da lernt man dann auch das Reisen zu Pferd." Sie streckte sich. "Und außerdem ist einfach wundervoll den Wind in den Haaren zu spüren... Diese Geschwindigkeiten..." Ihr Kopf drehte sich zu Rikhard um. "Du bist nicht wirklich viel herumgekommen bisher oder?"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 13. Aug 18, 19:51
"Nicht, seit ich Silvanaja verlassen habe. Damals hatte ich mich einem reisenden Magier angeschlossen, und der hatte einen Karren und einen alten Klepper. Ich hab Engonien noch nie verlassen."

Rikhard ließ sich neben Kydora zu Boden sinken, aber im Gegensatz zu ihr legte er sich nicht hin. Stattdessen zog er die Beine an den Oberkörper und schlang die Arme um die Knie.
"Mein Hintern tut weh." Er verzog das Gesicht. "Ich hoffe, ich gewöhne mich bald daran. Je weiter wir nach Osten kommen, desto schlechter werden die Straßen werden, fürchte ich. Die Straße führt von hier nach Taga, von dort können wir die Berge des Himmelsgebirge aufragen sehen. Und dann ist es nicht mehr weit - bis zu unserer Heimat."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 13. Aug 18, 20:24
"Doch hast du schon." Skeptisch blickte Kydora zu ihrem Reisegefährten herüber. "Wir waren auf der Insel der Stürme. Du erinnerst dich? Da wo der Seemann in der Taverne vor unseren Füßen verblutet ist."
Sie richtete sich wieder auf und streckte die Arme. Ihr war nicht entgangen, dass Rikhard 'unserer Heimat' gesagt hatte, doch beließ es dabei.
"An das Reisen wirst du dich gewöhnen. Der Körper gewöhnt sich schnell an sowas. In ein paar Tagen wird das schon viel leichter gehen. Du wirst sehen."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 13. Aug 18, 20:42
"Ja, dank dir erinnere ich mich wieder daran", erwiderte Rikhard säuerlich. "Möchtest du mich auch an die Überfahrt nach Cambria erinnern? Nein? Schade."

Was damals auf der Insel der Stürme geschehen war, hatte nicht gerade zu Rikhards schönsten Erlebnissen gezählt, und er war froh, dass Kydora nicht weiter danach fragte.
"Das hoffe ich jedenfalls. Wo hält sich dein Stamm eigentlich auf? Oder sind es Nomaden?"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 13. Aug 18, 21:00
Hmpf. Kydora ließ sich wieder seufzend auf den Rücken fallen und starrte wieder in den Himmel. Das hatte sie nicht beabsichtigt... Manchmal hatte sie das mit dem erst denken, dann reden wirklich nicht so gut parat. Sie war froh um den Themenwechsel.

"Im Grunde einmal durch den großen Wald durch bis fast zu dem Fluss. Also nicht den der den Silbernen See und den Nebelsee verbindet. Sonder der andere im Süden. Der zum großen See führt. Da in etwa. Und dein Stamm?" fragte sie vorsichtig nach.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 13. Aug 18, 21:34
"Ich werd den Weg schon finden, glaub ich. Wo genau sie sind, weiß ich nicht, aber ein Teil ist sesshaft, und ein Teil reist umher. Im Grunde geht es im Winter den Fluss hinab in den Süden, und im Sommer den Fluss wieder hoch nach Norden. Ich frage mich, ob sie überhaupt noch dort sind, wo sie waren, und eigentlich frage ich mich auch, was mich dort erwartet. Ich meine, seien wir ehrlich. Ich gehöre nicht nach Silvanaja, und der einzige Grund, warum ich dorthin zurückkehre, ist, um genau das noch einmal zu bestätigen."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 13. Aug 18, 22:28
//Wir werden uns hoffnungslos verlaufen// schoss es ihr durch den Kopf als Rikhard meinte, dass er den Werg schon finden würde. Aber das würde schon irgendwie klappen. Ein langer Umweg, war mit Sicherheit ein guter Ausgleich für was auch immer sie erwarten würde, wenn sie ankämen.

"Manchmal gehört man eine Zeit lang irgendwo hin. Und dann... dann gehört man irgendwann woanders hin." Sie schaute wieder zu Rikhard rüber. "Wohin wir gehören kann sich ändern. Aber was diese Reise mit dir machen wird, das wissen nur die Götter." Die Silvanaja setzte sich wieder auf. "Nedra wird uns schon den rechten Weg weisen. Und am Ende werden wir genau da ankommen, wo wir ankommen sollen. Und genau das erleben, was wir erleben sollen." Sie nickte bestätigend und knuffte Rikhard dann leicht gegen die Schulter. "Lass dich einfach drauf ein und dann wird das eine ganz fabelhafte Reise."

Kaum dass sie zuende gesprochen hatte, war sie auch schon wieder auf ihren Beinen und grinste Rikhard an. "Aaaapropos Reise. Wir sollten langsam weiter und nicht so viel rumtrödeln." kicherte sie.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 16. Aug 18, 10:49
"Du hast völlig Recht. Brechen wir auf, der Hauptteil der Reise liegt noch vor uns."
Die beiden packten ihre wenigen Habseligkeiten wieder zusammen, und während Kydora mit fröhlicher Miene antrabte, hatte Rikhards Gesicht den üblichen mürrischen Ausdruck angenommen.

Dass er wieder auf seinem eigenen Pferd saß und Kydora auf ihrer Stute, fiel ihm leider viel zu spät auf.


Einige Tage später...

Die Straße, die ganz im Südwesten Engoniens über den Rothornpass führte, durch Fanada verlief, Uld nur kurz berührte und sich dann durch die flachen Hügel Tangaras in Richtung Osten schlängelte, war eigentlich recht belebt. Zumindest galt das für den tangarischen Teil der Straße. Je weiter Kydora und Rikhard nach Osten kamen, desto weniger Volk begegnete ihnen. War der Weg in Fanada noch gepflastert gewesen, wurde schon bald festgetretener Lehm daraus, und an manchen Stellen hatte Naduria begonnen, den Boden wieder in Besitz zu nehmen. Erst, als sie Taga näher kamen, wurde die Straße wieder erkennbar besser.

Die östlichste Stadt Tangaras lag am Fuße des Himmelsgebirge, und hinter der niedrigen Stadtmauer konnten die beiden Reisenden die Silhouetten der majestätischen Berge sehen. Irgendwo dort lag ein Ausläufer der Schattenwall, das wussten sie, und zumindest Rikhard fragte sich, wie es dort wohl aussah. Aber weder das Himmelsgebirge noch Taga waren ihr Ziel. In der Stadt erstanden sie frische Vorräte, dann bogen sie endgültig nach Süden ab. Rikhard hatte sich auf der Reise gemacht. Er meckerte weniger, und auch, wenn er weit davon entfernt war, ein geübter Reiter zu sein, hatte er sich mit seinem Pferd angefreundet. Sein Hintern tat nicht mehr wirklich weh, wenn er den ganzen Tag geritten war, und sogar an den harten Boden hatte er sich gewöhnt. Sein bleiches Gesicht hatte etwas Farbe bekommen, und ganz allgemein wirkte der Magier lebendiger.

Taga hatten sie nun hinter sich gelassen. Die beiden unterhielten sich über irgendetwas Unwichtiges, als sie über eine Hügelkuppe ritten - und dann zügelten sie beide ihre Pferde. Vor ihnen lagen die Wälder Silvanajas. Und was für Wälder das waren! Von Links nach Rechts, soweit das Auge reichte, riesige Bäume. Nicht nur Eichen, Buchen, Fichten, was man eben so kannte, sondern viel größere, verwunschen wirkende Riesen, moosig bewachsen, wie schlafende Giganten, aber dicht an dicht wie Krieger in einer Schlachtreihe. Knorrige, knotige Wurzeln waren selbst auf diese Entfernung erkennbar, rund wie drei Oberschenkel, und die Luft wirkte plötzlich dicker, dichter, feuchter und schwerer. Wie eine Mauer ragten die Bäume auf, wie ein Schutzwall, der das urtümliche Land schützte.

Rikhard überkam eine Gänsehaut. Die schwarze Farbe unter seiner Haut, das Symbol seines Stammes auf seinem Rücken, begann zu jucken, als spürte die Tätowierung, dass die Heimat nicht mehr fern war. Stocksteif saß der Magier im Sattel, sog den Anblick in sich auf, atmete die Luft des Waldes, schmeckte das wilde Silvanaja auf seiner Zunge.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 16. Aug 18, 11:56
Der Anblick auf die Wälder war wie immer beeindruckend. Wie musste sich wohl jemand fühlen, der diesen Anblick zum ersten Mal erlebt? Jemand, der die Tiefen und Geheimnisse der dichten silvnajaischen Wälder noch nie zu Gesicht bekommen hatte? Kydora stieg von ihrer Stute ab und strich ihr gedankenverloren über den Hals. Normalerweise freute sie sich jedes mal, wenn sie die vertraute Heimat sah. Normalerweise…
Bei jedem vergangenen Besuch war es etwas anders gewesen als beim Vorherigen. Jedes mal hatte sie sich ein bisschen mehr wie eine Besucherin gefühlt als denn eine Heimkommende. Die Silvanaja vergrub ihr Gesicht an der Mähne ihres Pferdes und seufzte leise. So vieles hatte sich verändert.

Bevor sie sich in ihren Gedanken verlieren konnte, löste sich Kydora wieder von dem Pferd und sah über dessen Rücken hinweg mit einem Lächeln zu Rikhard hinüber. „Willst du weiter reisen?“ durchbrach sie die Stille. „Oder umkehren? Jetzt wäre ein guter Zeitpunk für diese Entscheidung.“

Sie warf einen Blick auf die Wälder. Auch wenn sich Dinge anders anfühlten… Es fühlte sich trotz alledem noch nach Heimat an. Es war ihr persönlicher Ort der Ruhe und es Friedens. Ein Ort zu dem sie immer zurück kehren konnte. Ein Ort der so unberührt von all den Ärgernissen des Landes war. Keine Fehde, keine Inquisition und auch kein Atos.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 16. Aug 18, 12:59
"Weiter."
Rikhards Augen glänzten, und ohne auf Kydora zu achten, trieb er sein Pferd vorwärts, gradewegs den Hügel herab. Er schwankte bedenklich, schaffte es aber, nicht herunterzufallen. Die Hufe wirbelten Staub auf dem trockenen Weg auf, und dann war er zwischen den Bäumen verschwunden. Er zügelte das Tier, kurz nach dem Passieren der Waldgrenze, und lauschte, wie das Stampfen der Hufe verhallte. Hier war es ruhig, dunkel, feucht und deutlich kühler als noch unter der Sonne. Hier und da brach sich ein Sonnenstrahl Bahn durchs Geäst, aber trotzdem wirkte die Umgebung schummrig, geheimnisvoll.
Die Baumstämme erhoben sich zu Kathedralensäulen, die das gewaltige, stets in Bewegung befindliche Blätterdach hoch oben stützten, und überall hörte Rikhard Geräusche. Tiere, Pflanzen, der Wind, alles war eins.

Rasch schwang er sich vom Pferderücken und vergrub die Hand in der dunklen, feuchten Erde des Waldbodens - und fühlte.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 16. Aug 18, 13:56
Kydora hatte sich gerade wieder auf ihr Pferd geschwungen, da war Rikhard schon vorgeritten. Kopfschüttelnd folgte sie ihm in leichtem Trab bis zur Waldgrenze. Wenig später befand sie sich zu Fuß ein paar Schritte tiefer im Wald, die Stute an den Zügeln führend bei sich, und hielt Ausschau nach Rikhard.
Tief zog Kydora die angenehme Luft ein und sofort weckte der Waldgeruch Erinnerungen an früher.

Etwas abseits von Rikhard lehnte sie sich an einen Baum an und gab dem Magier Zeit und Privatsphäre. Sie konnte nur ahnen, was in dem jungen Silvanajer gerade vorgehen mochte und wollte nicht aufdringlich wirken. Nachdenklich schaute sie nach oben ins Blätterdach, was schützend über ihnen hing.
Wessen Tod war wohl der Nächste, mit dem sie klarkommen werden müsste? Der Gedanke, dass auch Lyra nun fort war, schmerzte. Und natürlich wusste Kydora, dass es nunmal der Lauf der Dinge war… aber fehlen tat sie ihr trotzdem.

„Warte doch wenigstens bis morgen. Schlaf nochmal drüber.“
„Lyra ich weiß, was ich tue. Ich will das jetzt. Wirklich.“

„Kydora…“

„Ich bin mir sicher. Ich mache das jetzt. Vertrau mir.“


Ein müdes Lächeln umspielte ihre Lippen, als die Silvanaja an ihre wirklich sehr spontane Hochzeit mit Robert denken musste. Sie konnte sich noch gut an die Details des Abends erinnern. Waren ihr Lyras andere Augenfarbe damals eigentlich aufgefallen? Und die anderen Unstimmigkeiten zwischen den Beiden? Jetzt gerade sah sie die Fee so klar vor ihrem inneren Auge. Wie sie besorgt vor Kydora stand und diesen ihr so typischen Blick hatte…

Kydora merkte nicht, dass sie mittlerweile auf dem Boden saß und gedankenverloren auf den Waldboden starrte. Es war nicht Lyra in doppelt gewesen. Nein, sie waren stets zwei unabhängige Individuen gewesen. Wie zwei Schwestern. Einander vielleicht ähnlich aber doch so verschieden… Und nun war auch sie fort. Fort wie viele andere ihrer Freunde auch. Und wieder kam ihr die Frage in den Sinn: Wer würde der Nächste sein…?
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 16. Aug 18, 19:15
Er zog die Hand aus der Erde heraus. Die Hand eines viel jüngeren Rikhards. Eines Rikhards, der sich noch nicht den Namen Kraftweber gegeben hatte. Mit der anderen Hand strich er die Erdkrumen von seinem Handrücken. Tief sog er die Luft ein. Schmeckte das Leben im Boden. Hörte die Vielfalt des Waldes. Spürte den Wind, der über seinen Rücken strich, und all das vereinigte sich mit dem ständigen Gluckern und Plätschern und Rauschen, dass der Fluss Aines, den er spüren konnte, mit sich brachte.

Dann schlug er die Augen auf.
"Und? Wie war es? Sag schon!"
Die Stimme klang glockenhell in seinem Schädel nach, und geschärft, wie seine Sinne waren dröhnte sie laut, aber das machte ihm nichts aus.
"Es war unglaublich! Ich hab's wieder gespürt! Es ist, als würde ich meine Finger in einen kalten Bach halten, als könnte ich mit der hohlen Hand schöpfen, formen, es - es ist toll! Ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen, als könnte ich die ganze Welt bewegen! Ich kann kaum erwarten, es meinen Eltern zu sagen! Sie werden so stolz auf mich sein!"

Das fröhliche Lachen, das ihm begegnete, erfüllte ihn mit Stolz und machte ihn glücklich.
"Ja, das werden sie, Rikhard! Es ist ganz schön selten, dass einer von uns diese Fähigkeiten zeigt. Ich frage mich, was der Schamane sagen wird. Er kann wirken, durch die Kraft der Geister, vielleicht kann er dir etwas beibringen!"
Die beiden Kinder sprangen begeistert auf, fassten sich bei den Händen und rannten los.


Rikhards Hand zitterte, seine Knöchel waren weiß. Als er seinen Griff löste, fiel die Erde völlig zusammengedrückt zu Boden. Tränen rannen aus seinen Augen. Die Erinnerungen, so mühsam fortgeschlossen, über Jahre eingesperrt in eine Kiste aus dicken Balken, brach sich Bahn.

"Reiß dich zusammen!"
Die Zähne zusammengebissen, die Hände zu Fäusten geballt, das Gesicht zu einem Ausdruck verkrampfter Anstrengung verzogen, war Rikhard nicht in der Lage, dem Schamanen eine Antwort zu geben.
"Wenn du die Kontrolle verlierst, übernimmt es dich! Schließ es ein!"
Und Rikhard nahm alle Kraft zusammen. Er spürte den Fluss, hörte das Gluckern, freute sich, damit zu spielen, darin einzutauchen - "Nein! Bekämpfe es!"
Der Junge verstand nicht, warum er es bekämpfen musste. Verstand nicht, warum er nicht, wie vorher, einfach bunte Funken erzeugen konnte, kleine Dinge schweben lassen konnte, oder sich einen Menschen in diesen glitzernden, leuchtenden Linien anzuschauen, die ihn so schön aussehen ließen. Aber er hörte auf dem Schamanen. Der wusste schließlich, was gut für das Dorf war.

Rikhard konzentrierte sich. Stück für Stück richtete er seine Mauer auf. Staute den Fluss, der mit aller Macht gegen Rikhards Willen ankämpfte. Das Wasser wurde sein Feind.

Dann brach der Damm. Rikhard wurde in die Luft geschleudert, Funken stoben umher, und als er auf dem Boden aufschlug, wurde ihm alle Luft aus den Lungen gepresst. Bevor ihn die Ohnmacht umfing, hörte er eine Stimme sagen: "Seht ihr? Er ist gefährlich, ich sage es euch..."


Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 17. Aug 18, 09:17
Mittlerweile saß Kydora in einer bequemen Sitzposition an den Baum gelehnt und hatte die Augen geschlossen.

Das Rauschen der Blätter… Sanfter Wind auf der Haut… Der feste und beständige Boden…

Es war egal, wer als nächstes ging. Sicher war jedoch, dass irgendjemand gehen würde. Denn das war nunmal der Lauf der Dinge. Alles musste irgendwann enden. Kydora konzentrierte sich noch einen Augenblick auf die Dinge um sie herum, nur um einen Wimpernschlag später wieder die Augen zu öffnen. Sie blinzelte ein paar mal und suchte die Gegend ab. Rikhard erblickte sie dort, wo er auch zuvor schon gewesen war. Jedoch schien irgendetwas anders zu sein. Neugierig legte sie den Kopf schief und musterte den Magier aufmerksam.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 17. Aug 18, 12:52
Auf ein Knie gestützt, den Oberkörper nach vorne gebeugt, und eine Hand in den Boden gekrallt. Rikhard atmete schwer, als er die Erinnerung zurückdrängte, sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte. Kydora musste nachgekommen sein, sie saß nicht weit weg von ihm an einem Baum. Ihr Kopf lag schief, und sie sah neugierig in seine Richtung. Nimm dich zusammen, Rikhard. Wie muss das denn aussehen! Der Assistenz der Akademieleitung, im Dreck. Also wirklich!

Natürlich gehorchte Rikhard seiner inneren Stimme, und etwas peinlich berührt dreinschauend klopfte er mit der freien Hand den Dreck aus der anderen. Dann richtete er sich auf, darauf bedacht, seine Kleidung nicht schmutziger zu machen, als sie schon war (was angesichts der Tatsache, dass es Reisekleidung war und sie schon recht lange reisten, im Grunde überflüssig war), und dann - atmete er aus, und statt sich aufzurichten und irgendetwas von oben herab zu sagen, um seine Schwäche zu verstecken, ging er schlicht zu Kydora hinüber, setzte sich neben sie und wischte die Tränen aus seinem Gesicht.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 22. Aug 18, 10:40
Schweigend beobachtete Kydora ihn dabei wie er sich zu ihr aufmachte und dann hinsetzte. Sie sah ihn noch einen Moment fragend an, schaute wieder zu der Stelle zurück, an der er wenige Momente zuvor noch gekniet hatte, und blickte ihn dann wieder von der Seite her an. Man konnte fast von einer gewissen Tradition sprechen, dass Rikhard immer dann Gefühle zeigte, wenn sie in der Nähe war. Mit einem neutralen Gesichtsausdruck reichte sie ihm ihren Trinkschlauch.

„Besser? Oder brauchst du noch irgendwas?“

Kydora hatte ihr Bein herangezogen und den Kopf nun auf ihrem Knie abgestützt, während sie Rikhard abwartend musterte.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 24. Aug 18, 20:05
"Lediglich Zeit. Die Eindrücke sind sehr ... lebhaft."
Rikhard schwieg daraufhin eine ganze Weile, lauschte auf die Geräusche des Waldes. Eine, zwei Minuten vergingen, dann ergriff der Magier wieder das Wort.
"Vieles kommt zurück. Erinnerungen, die ich verdrängt habe. Das ist ... ungewohnt."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 26. Aug 18, 11:30
Kydora ließ ihm die Zeit, die Rikhard braucht und beobachtete die Pferde, die ein wenig abseits standen. „Ungewohnt ist nichts schlechtes. Es sind neue Herausforderungen.“ Sie gab ihm einen motivierenden Klaps auf die Schulter. „Du packst das schon. Und wenn es zu viel wird, dann kehren wir halt wieder um.“ Sie streckte sich und stand wieder auf. „Wir haben noch ein Stückchen vor uns. Wollen wir weiter?“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 26. Aug 18, 12:28
"Ja, lass uns aufbrechen."
Rikhard stand auf und wischte sich den Schmutz von den Armen, dann fuhr er sich durch das Gesicht. Er spürte, wie der feuchte Dreck an seinen Fingern einen erdigen Streifen an seiner Wange hinterließ, doch anstatt ihn fortzuwischen, fuhr er gedankenverloren mit den Fingern den Streifen noch einmal nach. Dann erst spuckte er auf seinen Ärmel und wischte sein Gesicht sauber.

Er erinnerte sich an früher, als er und andere Kinder sich spielerisch bemalt hatten. Die Kriegsbemalung der Erwachsenen hatten sie angelegt, und dann hatte irgendeiner die Hand in den Farbtopf getunkt und dem nächstbesten eine ordentliche Portion Farbe verpasst. Und dann war das ausgeartet, und munteres Kinderlachen erschallte, bis wütende Elternrufe sich dazwischen mischten.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 28. Aug 18, 17:16
Kydora verstaute ihren Trinkschlauch und prüfte nochmal den Sitz der Taschen an ihrem Pferd. Sie hatten noch ein gutes Stück vor sich und sollten nicht zu viel Zeit damit verbringen in alten Erinnerungen zu schwelgen. Sie tätschelte ihr Reitgefährt und sah dann über ihre Schulter zu Rikhard rüber. „Du sagtest, du findest den Weg zu deinem Stamm?“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 28. Aug 18, 23:06
"Äh - aber natürlich. Wir sind hier im Nordwesten Silvanajas, also geht es zu meinem Stamm - ähm... dort entlang." Rikhard wedelte fröhlich mit dem Arm. "Und dann ein wenig... da entlang."

Kydoras zweifelnde Miene ignorierte Rikhard völlig, und mit großem Selbstvertrauen nahm er sein Pferd am Zügel und schritt munter aus.

Tage vergingen, und die beiden drangen tiefer und tiefer in die urtümlichen Wälder Silvanajas ein. Sie hielten sich auf den Pfaden, die in Richtung der wenigen Städte der Region führten: nach Zarbon, Gulrav und noch weiter nach Osten, nach Darkov. Es mochte früher Nachmittag sein, als Rikhard urplötzlich stehen blieb, sodass Kydora fast in ihn hineinritt.

"Hier ist es. Hier müssen wir nach Süden reiten."

Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 28. Aug 18, 23:33
"Uuund du bist dir da auch ganz sicher?" fragte Kydora skeptisch, während sie ihr Pferd neben seines lenkte. Sie sah sich um und stellte fest, dass es halt so aussah wie fast überall in den Wäldern Silvanajas: Dichter Baumbewuchs, leicht feuchte Luft und kein Ausgang in Sicht so weit das Auge reichte.

Da Kydora absolut keinen Plan hatte, wo es zu Rikhards Stamm entlang ging, blieb ihr jedoch nichts anderes übrig als seiner Intuition, sofern er denn überhaupt so etwas besaß, zu vertrauen und ihm voran gehen zu lassen.

"Na dann. Du leitest den Weg."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 29. Aug 18, 12:25
"Absolut sicher."
Rikhard deutete in den Wald hinein.
"Siehst du die Weiden dort vorne? Sie gelten meinem Stamm als heilige Bäume und weisen den Weg zu den Webern."
Der Magier war kaum wiederzuerkennen. Schmutzig von der Reise, aber nicht abgerissen, angetan mit brauner und grüner Kleidung, die nichts von dem strengen Schwarz und Rot vermuten ließ, das er in den Mauern der Ayd'Owl trug.
"Bei uns sagt man, dass man unter dem Mantel der Trauerweiden nichts zu befürchten hat."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 31. Aug 18, 21:21
„Das klingt schön.“ meinte Kydora zu Rikhards Erläuterungen und nickte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Rikhard schien sich immer mehr zu entspannen und von seiner Feindseligkeit gegenüber Silvanaja, welcher sie damals in Brega begegnet war, war gerade kaum noch etwas zu spüren.
Doch wagte sie kein Wort darüber zu verlieren. Es war ein wenig wie bei einem scheuen Reh, was man durch zu unachtsame Handlungen zu verschrecken drohte.

„Dann weiter?“ fragte sie vorsichtig nach.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 31. Aug 18, 21:40
Kydoras Frage erübrigte sich, denn statt einer Antwort führte Rikhard sein Pferd von der Straße fort. Ein kleiner Pfad, kaum einen halben Meter breit, schlängelte sich durch die Bäume. Die beiden schritten im Gänsemarsch aus.

"Die Weber besitzen keine Pferde", erklärte Rikhard, während sie immer tiefer in den immer unwegsamer werdenden Wald eindrangen. "Wir sind hier schon in ihrem Gebiet. Der Wald scheint hier dicht, aber tatsächlich gibt es viele Lichtungen, die urplötzlich auftauchen. Achte auf deine Füße, je näher wir dem See kommen, desto matschiger wird's."
Wie um seine Worte zu bekräftigen, öffnete sich der Pfad zu einer großen, lichten Fläche, auf der hohes Gras stand - und das keinerlei Rückschlüsse darauf zuließ, wo der Weg nun weiterführen würde.
"Es ist immer ein wenig Glückssache, ob man den richtigen Pfad findet, wenn man sich hier nicht auskennt." Anstatt die Lichtung zu betreten, führte Rikhard sein Pferd am Rand der Bäume entlang. "Es gibt Markierungen. Oft sind es eben Weiden oder Trauerweiden, mit Schnitzereien an den Stämmen. Oder, wie hier - ein Stein." Rikhard zeigte mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck auf einen großen, verwitterten Brocken, der zwischen zwei Bäumen lag. "Hier muss es weiter gehen."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 31. Aug 18, 22:01
Kydora folgte Rikhard, der gerade völlig in einem ihm bisher verborgenen Element zu sein schien. Er folgte seinen Instinkten, tat was er gelernt hatte. Hier war sie selber ratlos, Rikhard war es, der den Weg wies. Und sie verließ sich auf ihn.

Schweigend und aufmerksam seinen Worten lauschend lief sie ihm hinterher. Sie versuchte sich die Zeichen und Wegweiser einzuprägen doch natürlich war es etwas völlig anderes als wenn sie hier aufgewachsen wäre. „Du gehst vor, ich folge dir…“ sagte sie nur und nickte Rikhard zu als Zeichen, dass es ruhig weitergehen konnte.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 31. Aug 18, 22:27
Die Pfade, auf denen Rikhard sie führte, ließen so grade noch Platz für die Pferde. Stunden vergingen, und da sie die meiste Zeit hintereinander ausschritten, blieb nicht viel Zeit für Gespräche.

Es war fast Abend, als Rikhard stehen blieb und Kydora zu sich aufschließen ließ. Erneut lichteten sich die Bäume, aber dieses Mal standen sie nicht an einer Lichtung. Stattdessen lag ein kleiner See vor ihnen, bewachsen mit Schilf und Seerosen. Das Gewässer mochte an seiner breitesten Stelle fünfzig Meter messen. Sie standen am Kopfende des langgezogenen Wassers. Vor ihren Augen knickte der See in einer Kurve ab, und am ihnen direkt gegenübergelegenen Ufer erhob sich ein Hügel, auf dessen Kuppe eine gewaltige Trauerweide stand.

Rikhard machte keinerlei Anstalten, weiter zu gehen. Er führte lediglich sein Reittier ans Wasser und ließ es trinken. "Siehst du den Hügel dort vorne? Der Baum dort oben steht schon, seit ich denken kann. Zu meines Großvaters Zeit und noch davor gab es ihn schon. Er ist uns heilig, und selbst von hier spüre ich seine Kraft. Der See umfasst diese Landzunge zu drei Vierteln. Würden wir dem Ufer nach rechts folgen, könnten wir dorthin, folgen wir dem Ufer nach links, dann ... nun, dann würden wir, wenn sich nichts verändert hat, zu den Hütten und Zelten meines Stammes gelangen. Wäre die alte Weide nicht im Weg, könnten wir sie wahrscheinlich schon sehen."

Er schnupperte.
"Riechst du's? Kochfeuer. Herde kennt man hier nicht."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 31. Aug 18, 22:43
Der Anblick war überwältigend und verschlug ihr die Sprache. Diesen Teil Silvanajas hatte sie bisher noch nicht gesehen, aber er hatte es was beinahe mystisches. Die Trauerweide machte fast den Eindruck umarmend diesen Teil des Landstriches zu schützen. Ja fast wie eine gütige Mutter stand sie dort und wachte. Laut Rikhard wohl schon seit Jahren.

Kydoras Stimme war leise, beinahe ein Flüstern. „Möchtest du weiter gehen…?“ fragte sie behutsam.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 01. Sep 18, 00:01
Rikhard wandte den Blick von der Weide ab und sah Kydora in die Augen. Er hob zu sprechen an, kam aber sofort ins Stocken.
"Ich weiß nicht, was man tun wird, wenn man ... wenn man mich erkennt. Grolf hat alle gegen mich aufgehetzt, damals. Sogar meine Familie hat mich misstrauisch betrachtet. Man wird mir die Schuld gegeben haben. Ich war... ich meine... ich wusste nicht, was ich tat, ich konnte es nicht kontrollieren. Ich -"
Rikhard verstummte, unfähig, weiterzusprechen. Der Magier hatte sich nicht bewegt und seine Augen waren offen, aber sein Blick ging durch Kydora hindurch, in die ferne Vergangenheit. 
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 04. Sep 18, 09:29
Sie stand einen kurzen Moment unschlüssig vor Rikhard, doch ehe sie noch weiter darüber nachdenken konnte, ob er es überhaupt wollte oder nicht, machte die junge Silvanaja einen Schritt auf ihr Gegenüber zu und nahm ihn in den Arm.
„Du gehst nicht alleine dorthin. Musst dich nicht alleine deiner Vergangenheit stellen. Aber du musst dich fragen, was du dir erhoffst. Was ist dein Ziel? Wenn du mir das nennen kannst, kann ich dich besser unterstützen…“ sagte sie leise und mit ruhiger Stimme.

Ihr war klar, dass das für Rikhard unfassbar schwer sein musste. Und selbst wenn er jetzt entscheiden würde, dass er umkehren wollte, die Vergangenheit ruhen lassen… dann wäre das in Ordnung. Es war nicht an ihr zu urteilen. Sie begleitete ihn und einen kurzen Moment fragte sie sich, warum eigentlich sie, wo doch zu beginn seine Ablehnung so groß war. Doch vielleicht war es genau das? Ein erster Schritt in Richtung Annäherung. Ein erster Schritt für ihn, sich seinen Wurzeln wieder zu nähern.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 12. Sep 18, 22:57
"Es ist eben Zeit."
Erstaunlich unemotional zuckte Rikhard mit den Schultern.
"Auf der anderen Seite des Sees wartet meine Vergangenheit. Dort wartet das, was ich vor der Zeit aufgegeben habe, und auch das, was mich fortgetrieben hat."
Der Magier meinte nicht einmal den Schamanen, den Scharlatan, der ihm das Leben schwer gemacht hatte.
"Der Moment, in dem Kyra fiel, der Moment hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hab mich dem nie gestellt. Das ist mein Ziel, deswegen bin ich hier. Silvanaja ist nunmal ein Teil von mir. Seit Tagen, ach was, seit Wochen geht mir das Herz auf, wenn ich die Bäume rieche und die dicke, feuchte Luft hier schmecke. Die Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen brechen und den Morgennebel in der Luft glitzern lassen - wie konnte ich solche Schönheit nur vergessen? Ich muss lernen, meine Vergangenheit zu akzeptieren. Ich fürchte mich vor dem, was geschehen wird, wenn ich Kyras Eltern begegne."
Rikhard zögerte. Dem Magier fiel es erkennbar schwer, die nächsten Worte von sich zu geben.
"Du musst mich nicht begleiten. Das ist meine Aufgabe, und... falls etwas Schlimmes passiert, dann wäre es vielleicht besser, wenn du ein wenig Abstand hättest. Quasi Vorsprung."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 13. Sep 18, 00:05
Kydora hatte sich wieder von ihm gelöst und stand nun vor Rikhard. Nachdenklich betrachtet sie ihn und schien nachzugrübeln. Über das was er gesagt hatte, über das was kommen könnte. Dann schüttelte sie nach einer Weile den Kopf.
„Ne das wär doch bescheuert. Ich komme mit. Bin ja nich umsonst den weiten Weg mitgekommen.“ meinte sie zu ihm. „Und was soll schon Schlimmes passieren für das ich einen Vorsprung bräuchte.“
Sie zuckte mit den Schultern und legte den Kopf leicht schief.
„Ich bin soweit, wenn du soweit bist.“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 19. Sep 18, 10:41
Und das war er.

Mit jedem Schritt, den die beiden um den See herum machten, kamen Sie den Zelten und kleinen Hütten der Weber näher. Rikhard war sichtlich nervös, versuchte aber wie stets, das zu überspielen. Was würde ihn dort erwarten? Er hatte kaum jemandem erzählt, was damals geschehen war. Was ihn wirklich dazu gezwungen hatte, seine Heimat zu verlassen.

"Er ist ein Lügner! Ein Betrüger, der Pulver ins Feuer wirft, um euch alle zu täuschen!"
Rikhards Stimme überschlug sich, sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, und sein Finger zitterte, als er auf den Schamanen zeigte.
"Ich schwöre es bei allen Göttern, ich hab es mit eigenen Augen gesehen!"

Und das hatte er tatsächlich. Grolf, der sich ihm jahrelang angebiedert hatte, der ihm falsche Weisheiten, schlimme Eingebungen und schlechten Rat erteilt hatte, hatte sich als Scharlatan herausgestellt. Aberglaube und Unwissen hatten die Weber dazu gebracht, Grolf zu vertrauen, Grolf zu verehren, ihn zu einem der Anführer des Stammes zu erheben.

Aber Rikhard bemerkte nicht, wie die Menge, die sich um das große Feuer versammelt hatte, tuschelte. Bemerkte nicht die Blicke, die man sich zuwarf, die verstohlenen Worte, die man einander zuflüsterte. Stattdessen schrie er, schrie die Wahrheit hinaus! Bis ihn Grolfs starke Hand am Oberarm packte und nach vorne schleuderte. Der junge Magier fiel mit dem Gesicht in den Staub, schmeckte Blut auf seiner aufgeplatzten Lippe.

"Das Kind ist verrückt geworden, und die Magie bricht aus ihm heraus!"
Die Worte drangen wie durch einen dichten Nebel zu Rikhard vor. Irgendetwas mit "Kontrolle", "Angst", "überwältigt" .... was ging hier nur vor? Er richtete sich auf, machte einige taumelnde Schritte auf die Menge zu, die vor ihm auseinanderstob. Hinter sich hörte er Schritte, wusste, Grolf kam näher, und mit einem Ruck drehte Rikhard sich herum, griff in die Flut, die ihn umgab, und ließ alle Dämme fahren. Das Rauschen des Windes in den Blättern wurde zu einem Sturm, der in seinen Ohren brauste, und mit seinen Händen wies er der Kraft dieses Sturms den Weg. Ein heller Schrei, ein Krachen ertönte - Rikhard öffnete die Augen, siegessicher. Endlich hatte er wahre Magie gezeigt, und Grolf hatte sich nicht wehren können, hatte - "Nein..."

Es war nicht der Schamane gewesen, der von hinten an ihn herangetreten war. Kyra war es. Kyra, die stets zu ihm gehalten hatte. Eine Freundin, von Kindesbeinen an, die ihn stets begleitet hatte. Und nun lag ihr Körper mehrere Meter weit von ihm weg, unmenschlich verdrehte Gliedmaßen, und Rikhard sah helles Blut auf ihrer Stirn.

Niemand wagte es, ihn aufzuhalten, als er durch die Menge brach, in den Wald hineinrannte.


Der Rikhard Kraftweber, der nun zwischen die ersten Zelte trat, hatte sich verändert, und nicht nur innerlich. Er wusste, dass er nicht länger der ängstliche Schüler war, der mehr Angst vor sich selbst als vor seiner Umwelt hatte. Gelernt hatte er, dass die Welt kaum auf ihn gewartet hatte, und auch einige andere Dinge wusste er nun besser. Er war bereit, sich zu stellen, sich seiner Vergangenheit zu - "... Rikhard?!"

Das konnte nicht sein. Sie war tot.

Aber da stand sie. Quicklebendig. Lächelnd. Freudig lächelnd! Sie hatte sich kaum verändert. Ihre langen, kupferroten Haare trug sie offen, an ihren Ohren baumelte ein Federschmuck, und gekleidet war sie in braun und grün.
Ungläubig machte Rikhard einen Schritt auf sie zu. Worte fand er keine, nichts fiel ihm ein. Er hatte sie für tot gehalten. Hatte geglaubt, sie getötet zu haben, und seitdem war er unglaublich selbstdiszipliniert, umsichtig geworden. Nur ein einziges Mal war die Magie beinahe aus ihm herausgebrochen, unkontrolliert und wütend - und selbst bei dieser Gelegenheit hatte er sich unter Kontrolle gehabt, wenn auch so grade. "Du ... du lebst?"

Ein Schatten glitt über Kyras freundliches Gesicht. "Ja. Auch wenn das nicht dir zu verdanken ist." Eine gehörige Portion Kälte hatte sich in ihre Stimme geschlichen. "Du bist sicher hier, um deine Eltern zu besuchen? Sie werden staunen, da bin ich mir sicher. Aber vielleicht schreist du besser nicht von den Bäumen, dass du zu Besuch bist. Andere sind nach wie vor nicht so gut auf dich zu sprechen. Und wenn Grolf dich sieht ..."

"...Er ist immer noch hier?"
"Ja, wo sollte er sonst sein? Er spricht nun einmal mit den Geistern und den Göttern, und sein Wort ist hoch geschätzt. Dass du dich so offen gegen ihn gestellt hast, war keine gute Idee. Dass du ... dass du mich durch die Luft geschleudert hast, übrigens auch nicht." Ohne erkennbares Schamgefühl zog sie ihre Hose an einer Seite herunter und zeigte eine lange, hässliche Narbenwulst vor. "Dort hatte sich ein Knochen durch meine Haut gebohrt. Vielleicht war es ganz gut, dass du Jahre fort warst. Noch letztes Jahr hätte ich dir einen Pfeil in die Rippen gejagt. Ich hätte sterben können!"
Hinter Kyras Ausbruch verbarg sich aber noch ein anderes Gefühl als Zorn, und ein gewisser Unterton in ihrer Stimme ließ das auch erkennen.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 19. Sep 18, 17:30
In den ersten Momenten hatte sich Kydora im Hintergrund gehalten, aufmerksam umgesehen. Diesem Stamm war sie bisher nicht begegnet und ihr waren auch keine Handelsbeziehungen zwischen den Webern und den Bewahrern bekannt. Sie verfolgte zunächst schweigend aus dem Hintergrund die Begegnung der Beiden. Auch sie war überrascht, doch nun ja… Kydora war dieser Frau dort vor ihnen nie emotional verbunden gewesen. So war es zwar durchaus eine Überraschung, dass sie doch noch lebte, aber für sie selber keine so große Veränderung zu vorher.
Jedoch konnte sich Kydora sehr gut vorstellen, was Rikhard gerade durchmachen musste. Nachdem der erste Schrecken überstanden schien, trat nun auch Kydora vor, denn schließlich wäre es unhöflich einfach schweigsam rumzustehen.



Mit einem Lächeln sah sie Kyra an. „Ich mische mich nur ungern in das Gespräch ein, aber ich würde mich einfach gerne kurz vorstellen. Danach halte ich mich auch wieder dezent zurück. Ich bin Kydora vom Stamm der Bewahrer.“ Sie hielt ihrem Gegenüber zur Begrüßung die Hand entgegen.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 20. Sep 18, 21:29
Kyra ergriff die ausgestreckte Hand der Bewahrerin. "Kyra von den Webern." Sie musterte Kydora mit einem freundlichen Blick. "Halte dich bloß nicht zurück. Ich, ähm ... wollte nicht unhöflich sein, aber Rikhard wiederzusehen, damit hab ich nicht gerechnet. Und wenn ich ihn mir so anschaue, er auch nicht."

Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
"Was ist aus dir geworden, Freund?"

Das war bekanntes Terrain für Rikhard. Sofort begann er: "Ich gehöre nun an die Akademie Ayd'Owl zu Fanada. Assistenz der Akademieleitung bin ich geworden, jawohl! Zwar bin ich noch Schüler, aber es kann gewiss nicht mehr lange dauern, bis ich ..."
Dann hielt er inne. Die Situation wurde ihm bewusst, und die plötzliche Stille war - keine Stille. Es war eben nicht wie an der Ayd'Owl. In den steinernen Häusern war's still, wenn niemand sprach. Aber hier? Hier rauschte der Wind in den Baumwipfeln, Vögel zwitscherten, ein naher Bach plätscherte vor sich hin, und alles war durchdrungen von dem allgegenwärtigen Wispern, von dem lebendigen Wald, und darüber lag ein Frieden, wie er ihn seit Jahren nicht gespürt hatte. Der Magier wusste, würde er sich bemühen, so würde er das Pulsieren spüren, was von der Alten Weide ausging.

"Aus mir ist etwas geworden, was mich abstößt, Kyra. Ich hab mich versteckt hinter meinem Fleiß, hinter meiner Arroganz, und hab es nie geschafft, das zu verwinden, was ich getan hab. Ich dachte - ich dachte, ich hätte dich getötet, als ich diesen Zauber wirkte. Darum bin ich fortgerannt, ich hatte Angst, Angst vor der Gewissheit. All der Ärger mit Grolf, als ich herausfand, dass er lügt, dass er ein Blender ist, all das ist verblasst vor dieser Schuld, die ich mit mir herumgetragen habe. Ich habe den Wald ausgesperrt, meine Geburt, den Sinn hinter dem, was ich tat."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 20. Sep 18, 21:37
Kydora winkte ab. „Nicht doch, ich kann mir denken, dass das eine unerwartete Überraschung war.“ Und sah zwischen den Beiden hin und her.


Als Rikhard kurzzeitig in seinen Akademie Modus verfiel, verdrehte Kydora seufzend die Augen. Er konnte es nicht las- aber da hatte er sich gefangen und überrascht sah sie ihn an. Einsicht? Zugeständnisse seiner Gefühle? Selbsterkenntnis?



Die Silvanaja machte einen Schritt zurück und stand nun etwa gleichweit von beiden entfernt. Abwartend in welche Richtung, das Gespräch gehen würde. Zögernd, sich zu viel einzumischen, aber bereit im Zweifel vermittelnd zu handeln.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 20. Sep 18, 21:48
Unwirsch machte Kyra eine Bewegung mit der Hand.
"Kommt mit. Was du getan hast, sollte nicht ungestraft bleiben, und damals sind einige dir nach, um dich einzufangen. Nun ist zwar Gras über die Sache gewachsen, aber wer weiß schon, was passiert, wenn man dich hier sieht? Oder willst du dich mit Grolf anlegen?"

Hastig schüttelte Rikhard mit dem Kopf und folgte Kyra zurück in Richtung des Seeufers.
"Was immer du gedacht hast, getan zu haben - du hast es nicht getan. Also hör auf, dich so selbstmitleidig aufzuführen, das steht dir nicht an. Wichtig ist doch, dass du jetzt schaust, was aus dir wird. Du bist nun hier, in deiner Heimat. Man mag dich nicht mit offenen Armen empfangen, aber ich bin mir sicher, dass ich das ein oder andere gute Wort für dich einlegen kann."

Aber Rikhard schüttelte langsam den Kopf.
"Nein. Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich hierhin gehöre. Dieser Ort ist definitiv ein Teil von mir, und ich hab diesen Teil viel zu lange verleugnet. Aber der Schamane sitzt in seinem Netz wie eine fette Spinne, und ich werde ihm dieses Nest unter seinem Arsch abfackeln!"

Überrascht von Rikhards Heftigkeit drehte Kyra sich zu ihm um, allerdings ohne innezuhalten.
"Gar nichts wirst du. Du warst noch nie gut im Prügeln, und wenn du ihn in eine Kröte verwandelst, werden die andern sich nur gegen dich wenden."
"Das ist gar nicht so einfach, das mit der Kröte. Also, ich könnte. Bestimmt, ich hab da was drüber gelesen."

Nun hielt Kyra doch an, und Rikhard rannte fast in sie hinein.
"Das könntest du?" Misstrauisch sah sie den Magier an, dann wandte sie sich an Kydora. "Könnte er?"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 20. Sep 18, 21:59
Kydora wollte sich gerade einmischen und Rikhard ermahnen, als Kyra sich an sie wendete.



„Rikhard besitzt so wie ich auch das Geschenk Aines. Irgendwann könnte er das mit der Kröte sicher tun. Aber aktuell?“ Sie musterte Rikhard. „Er ist zwar sehr strebsam, aber davon  jemanden in eine Kröte zu verwandeln wohl doch noch um einiges entfernt.“

Sie schaute Rikhard an. „Und dir habe ich auch schon mal erklärt, was ich zu der Geschichte mit Grolf denke... Lass es ruhen…“ Kydora schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Kyra zu.



„Er hat sich all die Zeit über so sehr gegen seine Wurzeln gewehrt. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als wir uns das erste mal Begegnet sind vor ein paar Jahren. Es schien ihm wirklich nahe zu gehen, an seine Heimat erinnert zu werden. Doch jetzt steht er hier. Hier mitten in Silvanaja, auf der Suche nach sich selbst. Ich habe ihn auf dieser Reise begleitet und von dem Rikhard, den ich mal kennen gelernt habe… nun er hat sich entwickelt. Und ich sehe in ihm vieles, an dem er noch arbeiten und wachsen kann. Er steht hier. Er hat eine Chance verdient so wie es jeder Mann oder jede Frau verdient hat.“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 20. Sep 18, 22:12
"Das wundert mich. Wir beide sind uns früher sehr nahe gewesen. Offen gesagt - ich war neidisch auf ihn. Er konnte schon früh bestimmte Dinge spüren, die Natur viel bewusster und tiefer wahrnehmen als ich. Ich meine - ich hab Augen und Ohren und eine Nase, aber Rikhard erzählte mir immer etwas von einem Fluss, der alles umfließt. Plätschern, Gluckern, es gab eine Zeit, da kannte ich mehr Worte für fließendes Wasser als für Baum."
Sie waren am Seeufer angekommen, aber Kyra machte keine Anstalten, anzuhalten. Ihr Weg führte sie gradewegs am Ufer entlang.
"Tja, wachsen tun wir alle. Wenn du's bis zur Akademieleitung gebracht hast, dann steht dir doch alles offen. Ich verstehe, warum du hierher gekommen bist, und das ehrt dich gewissermaßen - aber andererseits geht's dir doch um Vergebung, oder nicht?"

Rikhard verzichtete auf eine Antwort.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 20. Sep 18, 22:24
„Es ist nicht unbedingt immer ein Fluss.“ sinnierte Kydora. „Für mich hat es nichtmal ansatzweise mit einem Fluss zu tun.“
Sie folgte Kyra bis zum Ufer und ließ den Blick schweifen. Es wirkte alles so schön ruhig und unberührt.
Fragend sah Kydora zuwischen den Beiden hin und her.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 20. Sep 18, 22:31
Eine Weile schritten die drei schweigend nebeneinander her, dann erreichten sie den Ort, zu dem Kyra sie geführt hatte.
"Ich hätte es wissen müssen."
Rikhard schmunzelte. Sie waren an der großen Weide angekommen, die auf der Landzunge stand, die in den See hinein ragte.
Langsam und ehrfürchtig schritt Rikhhard den Hügel herauf, auf dessen Kuppe der uralte Baum stand.
"Du hast nicht einfach nur Sorge gehabt, dass man uns sieht."
"Du warst schon immer schlauer als ich, Ricky."
"Nenn mich nicht so."
"Tja, wärst du mal in Fanada geblieben."

Die trockene Unterhaltung fand ein rasches Ende, als sie unter die herabhängenden Äste der Weide traten. Rikhard drehte sich zu Kydora um.
"Das hier ... das ist das Herz dieses Ortes. Alles, was die Weber ausmacht, steckt irgendwie in diesem Baum. Unter diesen Ästen hat man die süßesten Träume, und wenn du es schaffst, dich dort oben in die Astgabel zu setzen, hast du einen wundervollen Ausblick über den gesamten See und das Zeltdorf meines Stammes."
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 21. Sep 18, 13:55
Kydora ging ein paar Schritte und näherte sich dem festen Stamm. Dieser Ort schien wirklich etwas besonderes zu sein, doch so ganz konnte sie es nicht erfassen. Es war wie ein Schatten, den man im Augenwinkel subtil wahrnahm, aber sobald man sich hinwendete und genauer hinsah, sah man nichts.

Sie spürte die Besonderheit dieses Ortes, doch fehlte ihr schlichtweg der Zugang. Dies hier waren eben nicht ihre Wurzeln.


Kydora drehte sich zu Rikhard um und sah ihn freundlich an. „Wann warst du das letzte mal dort oben?“
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 22. Sep 18, 20:28
"Ist eine ganze Weile her."
Er legte seine Hand an den Stamm des ehrwürdigen, respekteinflößenden Baumes.
Nachdenklich und leise sprach er:
"Dieser Ort ist Teil meines Wesens, und viel zu lange habe ich verleugnet, wo ich herkomme. Das war dumm von mir, anmaßend und schlicht falsch."

Mit nüchternem Gesichtsausdruck drehte der Magier sich um und sah die beiden Frauen unverwandt an, die ihn ihrerseits musterten.
"Kyra, ich bitte dich um Vergebung. Was ich dir angetan habe, tut mir so leid."

Es dauerte Minuten, bis Kyra eine Regung zeigte. Dann trat sie auf Rikhard zu und schloss ihn in seine Arme. Herzlich erwiderte er die Geste, und ein breites Lächeln trat auf sein Gesicht. Der Moment dauerte nur kurz, nach wenigen Sekunden machte die Weberin einen Schritt zurück.
"Es ist schön, dass du hierhin gefunden hast, Rikhard. Und ich vergebe dir, natürlich tue ich das. Aber ich bin nicht blind, und ich kann deutlich sehen, dass du nicht hier bleiben möchtest."

Rikhard nickte.
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Rikhard Kraftweber am 01. Okt 18, 10:36
Eine ganze Weile war es still. So still, wie es hier eben sein konnte: ein naher Bach gluckerte vor sich hin, während sein Wasser den See speiste. Vögel zwitscherten, und über den hohen Baumwipfeln flogen manchmal ganze Schwärme auf und machten sich auf den Weg, dem nahenden Winter zu entkommen. Der Wind rauschte in den Bäumen, und über allem lag ein seliger Frieden. Worte gab es keine, die diese Momente schöner hätten machen können, und nach einiger Zeit fasste Rikhard sich ein Herz.

Erstaunlich behend schwang er sich in die Alte Weide hinauf, seine Füße fanden den Weg von selbst. Sein Körper erinnerte sich, und je höher er kam, desto weiter konnte er sehen. Schließlich fand er sich in einer Astgabel sitzend wieder, und von dort schweifte sein Blick weit über den See hinaus, über die Rauchfäden, die aus dem Zeltdorf der Weber aufstiegen, hin zu der Schönheit, die sich im Sonnenschein vor ihm entfaltete.

Gewiss eine Stunde saß er dort oben, Kyra und Kydora sich selbst überlassend. Als er wieder herunterkam, hatte sich ein neuer, frischer Glanz seinen Augen bemächtigt. Er winkte Kyra zur Seite, und gewiss zehn Minuten sprach er mit ihr, ohne dass Kydora etwas hören konnte. Dann umarmten die beiden sich herzlich, kamen wieder zu Kydora herüber und schauten sich an.

"Aine auf deinem Weg und Naduria in deinem Herzen, Rikhard. Und auch dir, Kydora, wünsche ich eine gute Heimreise und den Segen der Götter."

Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte Kyra sich um und war bald zwischen den Sträuchern und Büschen des Hügels verschwunden.

Rikhard lächelte. "Also dann - wollen wir?"
Titel: Antw:Auf der Reise nach Silvanaja
Beitrag von: Kydora am 01. Okt 18, 11:40
Kydora hatte sich angenehm mit Kyra unterhalten. Die meiste Zeit drehte sich das Gespräch um Silvanaja und die Traditionen ihre Stämme.
Als Rikhard sich dann mit Kyra zurückzog hatte sich Kydora dem See gewidmet und ihre Gedanken treiben lassen...

Die Verabschiedung der Silvanajer war kurz aber freundlich und nun stand sie mit Rikhard dort und erwiderte sein Lächeln.
"Wenn du alles getan hast, was du tun wolltest, können wir los. Lass uns zurück nach Fanada gehen."